Perfide spannend!

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singstar72 Avatar

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Gibt es eigentlich irgendetwas, was dieser Autor nicht kann…?! Seine Kreativität ist ja schier unglaublich. Im letzten großen Wurf, den „Morden von Pye Hall“, hatte er auch mit Realitätsebenen und doppelten Böden gespielt. Das waren sozusagen zwei Krimis in einem gewesen. Hier ist es nun noch viel raffinierter: er arbeitet sich selbst „als Autor“ in eine fiktive Geschichte hinein, und gibt ihr ganz den Anschein von Realität…!

Es fängt wundervoll realistisch an, wie ein echter „Whodunit“. Eine Frau organisiert ihre eigene Beerdigung, und wird noch am selben Tag ermordet. Ein klassischer Beginn, voller Wortwitz und liebenswerter Details. Bei der Schilderung des Bestatters zum Beispiel habe ich sehr geschmunzelt…

Dann der Schwenk zur „Realität in der Realität“. Dieser Beginn sei selbstredend erfunden gewesen, denn er sei lediglich als Autor hinzugezogen worden. Er gibt sich seinen eigenen Namen: Anthony Horowitz. Angeheuert wird er von einem – fiktiven – Detektiv, der aber fatale Züge von Sherlock Holmes zeigt: eher unzugänglich, unklarer beruflicher Hintergrund, schwieriger Charakter, mindestens eine Sucht, und errät private Details mit unheimlicher Treffsicherheit. Hawthorne, Daniel Hawthorne, so heißt dieser Ermittler, der möchte, dass Anthony ein Buch über ihn schreibt. Genau das Buch, das wir als Leser nun in Händen halten! Man weiß also schon vor dem Ende der Leseprobe, dass Horowitz den Auftrag annehmen wird.

Wundervoll, wie sich Horowitz hier selbst auf die sprichwörtliche Schippe nimmt! Die Serie um „Alex Rider“ hat er wirklich (!) geschrieben. Ebenso die Drehbücher zu „Inspector Barnaby“. Man kann also vermuten, dass die Details aus dem Leben eines Autors und Drehbuchschreibers stimmen werden. Literaturfestivals, nervtötende Leserfragen, Geldsorgen, Arbeitstechniken, Recherche… ich habe beim Lesen beständig in mich hinein gekichert.

Der Schreibstil ist sehr britisch, detailreich, und ein wenig liebenswert verpeilt. Ich könnte das gar nicht näher erläutern… dieser Stil wäre jedenfalls in Amerika, in einem Hard-boiled Thriller, undenkbar. Ich bin gespannt, wie der „Fall“ sich entwickeln wird. Wird es eher um die Dame gehen, die ihren eigenen Tod vorausgesehen hat? Oder wird der Detektiv Hawthorne noch eine private Rolle spielen? Alles ist möglich in diesem Buch! Und man weiß ja von Horowitz, dass er gerne alle Möglichkeiten ausschöpft, die sich in einer Geschichte bieten.

Schade nur wieder, dass die Doppelbödigkeit des Titels in der deutschen Übersetzung wieder einmal verloren geht; aber das ist wohl nicht zu ändern. Das war schon im letzten Buch so. „Magpie Murders“ wurde zu „Die Morde von Pye Hall“. Der Bezug zum englischen Kinderreim ging verloren. Hier heißt das Buch ursprünglich „The Word is Murder“, ein Satz, der wörtlich in einem Gespräch mit Hawthorne vorkommt. Und bedeutet so viel wie „Mord ist die Devise“. Womit Hawthorne Horowitz dazu bringen will, den Auftrag anzunehmen. Sehr unglücklich übersetzt mit „das Wort ist Mord“… Ansonsten gut übersetzt. Schade.

Insgesamt bin ich hoch gespannt auf dieses Buch!!