Sehr schön charakterisiert

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
soleil Avatar

Von

In den ersten beiden Kapiteln, die hier vorgestellt werden, wird im ersten die Mittsechzigerin Lucia vorgestellt. Dabei ist es faszinierend, wie genau und pointiert die Autorin vorgeht, mit einem fast einzigartigen Auge für Details. Lucia stammt aus Chile, arbeitet als Dozentin an der Universität und hat es noch nicht eilig, in ihr einstiges Heimatland zurückzukehren. Das liegt vor allem an ihrer Tochter Daniela, die sich gerade verliebt hat. Lucia wohnt als Untermieterin bei Richard, ihrem Chef an der Uni.
Dieser wird dann im zweiten Kapitel thematisiert. Lucia, die eigentlich gehofft hat, Richard näher zu kommen, erkennt, dass sie sich durch die Nähe (Wohnraum, Arbeit) immer weiter entfernen. Das scheint vor allem an Richard zu liegen, der ebenso genau charakterisiert wird, wie seine Nachbarin. Er hat den Gefühlen abgeschworen, sogar seine vier Katzen schlicht durchnummeriert. Als aber eine von ihnen aus Versehen Frostschutzmittel trinkt, schafft er sie mitten im Schneechaos zum Tierarzt - mit einem Tränchen im Auge. Auf dem Weg zurück fährt er auf ein anderes Auto, das eine sehr nervöse Fahrerin besitzt, die nicht einmal seine Entschädigung haben möchte.
Allende schreibt vielleicht ein bisschen ausufernd, aber dennoch sehr durchdacht. Sie hat zwei sehr individuelle Charaktere vorgestellt, die beide mit ihren inneren Dämonen zu kämpfen haben. Sehr schön übrigens, dass es keine jungen knackigen Möchtegerne sind, sondern Leute in den Sechzigern, die schon einiges von der Welt gesehen haben.
https://verlorene-werke.blogspot.com/