Gleichermaßen unterhaltsam und lehrreich

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sapere_aude Avatar

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Mit Lucía, einer chilenischen Gastwissenschaftlerin der New York University, Richard, einem dortigen Professor, und Evelyn, einer guatemaltekischen Hausangestellten ohne Papiere, begegnen sich während eines heftigen Schneesturms drei Menschen in Brooklyn, deren einzige Gemeinsamkeit Lateinamerika im weiteren Sinne zu sein scheint. Sie treffen aufeinander, nachdem Richard Evelyns Auto angefahren hat und in ihrem Kofferraum eine Leiche auftaucht. Zur Polizei zu gehen, kommt nicht infrage, will man nicht die Abschiebung Evelyns in Kauf nehmen, und so wird die Beseitigung des Leichnams und des Autos ihre gemeinsame Mission.
Isabel Allende schildert diese Fahrt durch den verschneiten Nordosten der USA unterbrochen von Rückblenden, in denen die Lebenswege der drei Protagonisten bis zu den aktuellen Ereignissen nachgezogen werden. Kein Lebensweg ist gerade, keine der drei Personen ist, wie sie zunächst scheint. Vielmehr sind die von ihnen begangenen Pfade verschlungen und ihre Erfahrungen tief- und vielschichtig – man merkt der Autorin an, dass ihr Personen mit Narben und Spuren am Herzen liegen. Die politischen Umstürze in Chile, die Lucías Familie geprägt haben, Armut, Drogen und Bandenkriege in Guatemala, durch die Evelyn ohne Mutter aufwuchs und zwei Brüder verlor, sowie das scheinbar heitere und ausgelassene Leben mit Tanz, Alkohol und Sex, das Richard als Nachwuchswissenschaftler in Brasilien erlebte, sind Welten, die Allende gut kennt und prägnant zu beschreiben weiß. Für die wesentlichen Leser sind diese Schilderungen von zeithistorischer Relevanz interessant und lehrreich, ohne literarisch uninteressant oder gar langweilig zu werden. Manchmal allerdings erscheint die gesamte Geschichte etwas zu konstruiert, um alles unterzubringen. Aber handwerklich ist der Roman insgesamt zu gut, um den Leser in dieser Hinsicht ernsthaft zu enttäuschen.
Wer nicht zuletzt angesichts der politischen Lage in den USA und der verschärften Einwanderungspolitik der Regierung Trump informiert und zugleich bestens unterhalten werden möchte, liegt mit diesem Buch genau richtig. Dass bei Allende außerdem mehr Frauen als Männer agieren, ohne die Geschichte zu entpolitisieren oder zu verkitschen, ist nicht nur für die weibliche Leserschaft ein zusätzlicher Bonus.