Mitgerissen durch die eindrückliche Sprache und die Vielfalt der Themen!

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sternchen1202 Avatar

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Nach seinem historischen Roman „Eine verlässliche Frau“, veröffentlicht der aus Virgina stammende Robert Goolrick seinen zweiten Roman „Ein wildes Herz“. Der freie Schriftsteller arbeitete viele Jahre in der Werbung in New York bevor er sich dem Schreiben zuwandte.
„Ein wildes Herz“ spielt in seiner Heimat Virgina kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in einem kleinen Ort namens Brownsburg. Das Leben meint es gut mit den Menschen in Brownsburg: Zwar kennen sie die Bedeutung des Wortes „Glück“ nicht, jedoch ist ihnen auch das „Unglück“ unbekannt.
Eines Tages kommt Charlie Beale von nirgendwo mit seinem Pickup und zwei Koffern in die Stadt. Jeder seiner Schritte wird genau beobachtet: Er kauft Land, das nicht bebaubar ist und zahlt auch noch in bar. Er stellt sich bei dem städtischen Metzger Will Haislett vor und hat einen Koffer voller Messer dabei. In der Metzgerei stellt sich Charlie jedoch als wahrer Glücksgriff heraus und der tägliche Einkauf beim Metzger wird zu einem gesellschaftlichen Ereignis. Charlie (von Sam Haislett liebevoll „Beebo“ genannt) freundet sich immer mehr mit dem Metzger und seiner Familie an. Gerade zu Wills Sohn Sam verbindet Charlie eine scheinbar tiefe Freundschaft.
Eines Tages lernt Charlie in der Metzgerei Sylvan Glass kennen, die zwanzigjährige Frau des reichsten Mannes der Stadt, in die er sich Hals über Kopf verliebt. Die Geschichte von Sylvan, dem Mädchen, das von Hollywood träumt, und Charlie beginnt auf einem Fest der Baptistengemeinde. Genau wie Charlie ist Sylvan etwas Besonderes in Brownsburg. Sie liebt Film, Stars und glamouröse Kleidung.
Charlie verfolgt in Brownsburg nach seinem Hauskauf zwei Ziele: Er möchte einen Hund und er möchte viel Land kaufen. Charlie fährt tagelang durch das County und schaut sich das Land an. Er will so viel wie möglich kaufen, um irgendwann Harrison Glass, Sylvans Mann, zu überflügeln und Sylvan damit beeindrucken zu können.
Auf dem Heimweg vom Schlachter hält Charlie mit Sam bei Sylvan an, lässt den Jungen im Auto sitzen und die heiße Liebschaft zwischen Sylvan und ihm beginnt. Beide scheinen aufeinander gewartet und sich nun endlich gefunden zu haben. Sylvan ist für Charlie die Wahrheit und Erlösung, die er immer gesucht hat. Charlie hingegen ist für Sylvan einfach nur Hollywood.
Sie treffen sich ab diesem ersten Nachmittag regelmäßig mittwochs und Sam wird ungewollt Zeuge, den dieses Geheimnis, was er nicht ganz versteht, stark belastet. Sam ist sich nicht sicher, was Charlie und Sylvan eigentlich im Obergeschoss machen, bis er sie eines Nachmittags erwischt.
Für Charlie ist Sylvan alles und so macht er ihr im Laufe des ersten Sommers einen Heiratsantrag, den diese jedoch weder ablehnt noch bejaht. Er möchte, dass sie ihren Mann verlässt, doch sie zögert.
Charlie ist so in seiner Liebe zu Sylvan versunken, dass er nicht bemerkt, wie er und seine Geliebte zum allgemeinen Stadtgespräch werden. Auch bemerkt er nicht, wie er rund um sich alles zerstört: er arbeitet nicht mehr gewissenhaft, wird nachlässig und Sam wird aufgrund des Geheimnisses zu einem wütenden sechsjährigen Jungen, mit dem man nicht mehr reden kann.
Um Sam wieder auf den rechten Weg zu bringen, veranstaltet Charlie eine Geburtstagsparty für ihn, auf der das Unheil seinen Lauf nimmt und sich schon bald in der ganzen Stadt ausgebreitet hat.

Um ehrlich zu sein, wäre ich in der Buchhandlung an dem Buch „Ein wildes Herz“ vorbeigelaufen, was jedoch ein großer Fehler gewesen wäre!
Das Buch besteht aus zwei Teilen, die insgesamt 31 Kapiteln und einem Epilog beinhalten - jedes einzelne Kapitel hat mich vollkommen überzeugt. Vor allem von der teilweise hochphilosophischen Sprache war ich mehr als begeistert. Goolrick gelingt es, die Wörter so wunderschön miteinander zu verbinden, dass man sie immer und immer wieder lesen möchte.
Goolrick behandelt in seinem Roman sehr viele unterschiedliche Themen, die es gerade heute spannend und interessant machen, „Ein wildes Herz“ zu lesen. Die beiden wichtigsten Themen sind „Träume eines jeden Menschen“ als auch die „Sünde“. Die Sünde wird bereits in dem Titel des ersten Teils deutlich: „Der Mann, der sündigt“. Charlie sündigt, aber auch alle anderen Menschen der Stadt. Charlie ist nachher jedoch derjenige, der von den anderen gemieden wird. Weiterhin werden Themen wie Liebe, die Zwangsehe, Rassentrennung, Mode, Hollywood, Kino und die Kirche und ihre Macht über die Menschen sehr eindrucksvoll miteinander verbunden.

Weiterhin haben mir die Figuren Charlie, Sylvan und auch Sam sehr gut gefallen. Die Konzeptionen sind genau durchdacht und die Figuren bleiben sich selbst treu, auch wenn ich es in Sylvans als auch in Charlies Fall nicht immer gut heißen kann. Im Zusammenhang mit den Figuren steht auch, dass Goolrick es schafft, den Leser immer wieder mit in die Vergangenheit der Figuren zu nehmen. So erfährt der Leser erst nach und nach, wie Sylvan nach Brownsburg gekommen ist und wie sie zu dem wurde, was sie ist. Der Autor arbeitet jedoch nicht nur mit Analepsen, sondern auch mit Prolepsen, die immer wieder andeuten, dass aus einzelnen Figuren noch etwas wird oder dass noch etwas geschieht. So bleibt der Leser immer gespannt und wird von der Wortgewalt mitgerissen.

Obwohl der Großteil des Buchs aus der Sicht eines personalen, allwissenden Erzählers geschildert wird, werden immer wieder einzelne Figuren in den Fokus genommen, deren Innenansicht dann sehr genau betrachtet wird. Dieser Schreibstil gefällt mir in Zusammenhang mit der erzählten Geschichte sehr gut.
Sowohl das erste als auch das letzte Kapitel und der Epilog werden jedoch von einem Ich-Erzähler geschildert, der sich erst ganz zum Schluss als Sam Haislett zu erkennen gibt. Dies hat mich an manchen Stellen jedoch gestört. Bereits zu Beginn wurde ich als Leser direkt von einem Ich-Erzähler angesprochen, den ich jedoch nicht verorten konnte. Und schon wechselte die Erzählperspektive und ich hatte das Gefühl, auf alle Figuren schauen zu können.

Weiterhin rätsel ich immer noch daran herum, warum zwei Kapitel und ein Teil des 29. Kapitel kursiv gedruckt sind. Zuerst hatte ich das Gefühl, dass dadurch noch einmal eine direkte Nähe zu den handelnden Figuren geschaffen werden sollte. Jedoch kann es auch sein, dass hier Schlüsselszenen hervorgehoben werden.
Unter dem Titel „Ein wildes Herz“ konnte ich mir zuerst nicht allzu viel vorstellen. Doch im Laufe des Romans wird immer wieder auf Charlies wildes Herz verwiesen. Auch im Epilog wird noch einmal darauf Bezug genommen: „Hier in diesem Tal gibt es ein wildes Herz, das schlägt. Es war immer da und wird es immer bleiben. (…) Es ist die Geschichte dieser Welt, und das Notizbuch eures kleinen Lebens, und wenn ihr zu Asche geworden seid und im tiefen Dunkel des Grabes liegt, wird es eure Geschichte erzählen.“

Ich würde das Buch „Ein wildes Herz“ auf jeden Fall weiterempfehlen und werde es selbst mit Begeisterung auch noch das ein oder andere Mal lesen.