Ein warmherziger, weiser, wunderbarer Roman

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
kainundabel Avatar

Von

Haushaltsauflösung und Umzug zwangen mich dazu, den Roman zunächst beiseite zu legen. Endlich komme ich nun dazu, ihn zu lesen und das in einem Rutsch.
Warum fühle ich mich dem achtzehnjährigen Protagonisten Victor sofort so eng verbunden? Ich entdecke mich in ihm wieder, wir sind eindeutig seelenverwandt. Aus der Provinz kommend, im verwirrend-verstörenden Universitätsbetrieb angekommen, hoher Druck und das Gefühl, alleingelassen, unsichtbar zu sein. Victor scheint es nicht zu stören, dass im ersten Jahr keiner mit ihm redet. Dann endlich ist ein Freund in Sicht. Man redet wenig miteinander, raucht in den Pausen zusammen, immerhin. Doch Mathieu ist der Situation am Lycée D. nicht gewachsen, er leidet unter der kaltschnäuzigen Art der Lehrenden. Sein Freitod bietet Victor ironischerweise die Chance, Kontakte zu gewinnen, zu Mitstudierenden und vor allem zu Mathieus Vater, dem der Tod seines Sohnes schmerzlich zusetzt. Als Freund des Opfers ist Victor plötzlich gefragt und begehrt. Wie Jean-Philippe Blondel die weitere Entwicklung des jungen Mannes beschreibt, ist geradezu meisterlich gelungen! In völlig unaufgeregtem-unspektakulärem Schreibstil lässt er uns Leser Victors weiteren Weg begleiten und teilhaben an der persönlichen Entwicklung und der Reifung seines Charakters.
Das Buchcover ist äußerst treffend gewählt. Was könnte die Situation und die Gefühlslage des jungen Victor besser widerspiegeln?
Ein Lesevergnügen der besonderen Art, bestens geeignet für stille Herbstabende.