„Tun wir so, als sei alles normal.“

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evelynmartina Avatar

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„Ein Winter in Paris“ von Jean-Philippe Blondel erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der auf der Suche nach seinem Lebensweg ist.

Der 19-jährige Victor studiert an einem Pariser Elite-Lycée Literaturwissenschaften. Dort herrschen harte Regeln, und dominante Lehrer machen den Studenten das Leben schwer. Aus der Provinz kommend scheint Victor per se als Außenseiter abgestempelt, wird von seinen Kommilitonen nicht beachtet und von seinen Dozenten gepiesackt. Einzig und allein zu Mathieu, einem Mitstudenten, mit dem Victor ab und an in Pausen eine Zigarette raucht, bahnt sich ein näherer Kontakt an. Doch bevor sich die beiden besser kennenlernen können, stürzt sich Mathieu in den Tod. Mathieu's Selbstmord wird fortan Victor's aktuelle Situation und seine Zukunft maßgeblich beeinflussen.

Jean-Philippe Blondel hat mit Victor eine interessante, echte Figur geschaffen, die er in den Mittelpunkt seines Romans setzt. Rundherum platziert er fast schon desinteressierte Eltern, von sich überzeugte Professoren, auf sich bezogene Mitstreiter und dann ein Ereignis, das eigentlich alle wachrütteln sollte. Der Autor beschäftigt sich in prägnanter Sprache auf sensible und eindringliche Art und Weise mit Fragen nach dem Warum, mit Schuld und dem Umgang mit dem Verlust eines Menschen sowie dessen Auswirkung auf das betroffene Umfeld.

Ich habe den Roman an einem Nachmittag verschlungen. Beim Lesen fühlte ich mich des Öfteren an meine Studienzeit erinnert, zumal die Handlung in den 1980er Jahren spielt. Die Erzählung stimmte mich traurig, am Ende aber hoffnungsvoll und zufrieden. Ich habe dann sogar noch einmal den Anfang gelesen, so hat sich für mich der Kreis komplett geschlossen.

Ob und wie viel Autobiographisches in Jean-Philippe Blondel's „Ein Winter in Paris“ steckt, weiß nur der Autor selbst. Jedenfalls ist sein neues Werk meiner Meinung nach ein kleiner, leiser und tiefsinniger Schatz, bei dem sich das Öffnen lohnt.