Krisen, Klimakterium und ein Kurztrip - Keine Schleuse hält sie auf!

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marionhh Avatar

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Eliza Finch, verheiratete Hollander, hat es nicht leicht. Ihre Ehe kriselt, ihre Kinder entfernen sich von ihr, als Schauspielerin ist sie sowieso gescheitert und finanziell steht es auch nicht zum Besten. Nun wird sie auch noch ein halbes Jahrhundert, steckt mitten in der Menopause und fragt sich, wozu diese Pause eigentlich gut sein soll, wenn man sie fast ausschließlich mit Hitzewallungen verbringt. Als sie auf eine Wette mit ihrem Bruder Miles eingeht, bei der es um den Verkauf des von ihrem Ehemann Paddy so heißgeliebten Kanalbootes geht, beginnt ein wahnwitziger Boattrip über die Kanäle und Flüsse rundum Stratford-upon-Avon, bei der Eliza nicht nur einen neuen Hund, sondern auch sich selbst findet.

Eliza Finch ist herrlich!! Emotional, weinerlich, launenhaft, chaotisch, dabei immer empathisch, hilfsbereit und britisch-höflich. Sie liebt ihre Kinder, ihre Eltern und grundsätzlich auch ihren Mann, wäre da nicht dieser vermaledeite Verlust ihrer Libido und die entsetzlichen Selbstzweifel. Mit Eliza hat die Autorin eine Heldin erschaffen, die stellvertretend für alle Frauen den Kampf gegen Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen aufnimmt und sich dem Wandel ihres Körpers und ihrer Bedürfnisse stellt. Das Buch, in der Ich-Form geschrieben, erzählt von einer langjährigen, vielleicht etwas eingefahrenen Ehe, von verlorener Jugend und vergebenen Chancen, gibt aber auch Ausblicke und Hoffnung auf die Zukunft, auf einen Wandel, der oftmals gerade in der Mitte des Lebens einsetzt. In diesem Sinne ist die Geschichte eine einzige Selbstreflektion Elizas, eine stete Aneinanderreihung ihrer Erlebnisse, Erfahrungen, Ängste und Wünsche. Schön fand ich, dass auch die anderen Figuren eine vielschichtige Persönlichkeit haben und sehr liebenswert sind. Besonders gefallen hat mir der Gegensatz der intellektuellen, kulturell und akademisch sehr gebildeten Familie Elizas – und damit Elizas eigener Hintergrund – und der gemütlichen, wortkargen und anpackenden Bodenständigkeit Paddys. Da sich alles doch sehr auf Eliza konzentriert, werden die Persönlichkeiten der anderen Protagonisten recht oberflächlich behandelt – Eliza selbst ist zu sehr auf sich konzentriert, als dass sie wirklich merken würde, was bei ihren Kindern und Geschwistern und nicht zuletzt bei ihrem Ehemann los ist - und demensprechend erfährt auch der Leser nur wenige Details. Dies wird aber durch den Wandel und die Selbstironie Elizas kompensiert. Sie schliddert durch diverse Fettnäpfchen und Katastrophen, wird jedoch zur kreativen Problemlöserin und gewinnt so deutlich an Selbstbewusstsein. Dadurch, dass sie sich wieder selbst lieben lernt, kann sie auch auf Paddy wieder richtig eingehen. Ihr Selbstfindungstrip wird wunderbar durch die äußerst treffsicher gewählten Überschriften wieder gespiegelt, die alle etwas mit Zeit zu tun haben – Zeit, die vergangen ist, die für uns ist, die uns noch bleibt. Alles in allem also eine sehr schöne Geschichte, in der sich sicherlich die eine oder andere Altersgenossin Elizas wiederfinden wird.

Fazit: Elizas vergnügliche Reise zu sich selbst ist in meinen Augen sehr gut gelungen. Sie lässt sich flüssig herunterlesen, hat wunderbare Figuren, ist unterhaltsam und mit einer gehörigen Prise zumeist britischen Humors. Manchmal waren es mir ein paar Hitzewallungen und Anspielungen auf britische Dramen und Serien zu viel, dennoch konnte man Elizas Weg doch gut nachvollziehen. Meines Erachtens gehört aber durchaus ein Schuss Selbstironie dazu, um die Geschichte gut zu finden, dann werden es Frauen in den mittleren Jahren lieben, die jüngeren sollten sich nicht abschrecken lassen – es gibt Hoffnung!