Ein großartiger, mitreißender Roman über Emanzipation und Integration

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
gaia Avatar

Von

Die Autorin beschäftigt sich in ihrem Roman, der in der deutschen Ausgabe „Eine eigene Zukunft“, im spanischen Original frei übersetzt „Die Töchter des Kapitän“, heißt, mit der Geschichte von drei Anfang 20jährigen Schwestern, welche aus Spanien mit ihrer Mutter dem Vater ins New York der 30er Jahre folgen. Sie landen widerwillig im spanischen Einwandererviertel und wollen sich gar nicht so recht in dieses Amerika integrieren, träumen stets von der Rückkehr in die Heimat. Nach dem Tod des Vaters müssen die vier Hinterbliebenen einen Weg finden, um in der fremden Welt, deren Sprache sie nicht mächtig sind, zu überleben. Dabei begleiten wir sie bei dem Vorhaben aus dem väterlichen Lokal einen Nachtclub zu machen.

Wer nach dieser Inhaltsangabe ist falsch gewickelt, wer hier eine seichte, historische Frauenliteratur mit Nostalgie-Happy-End-Charakter erwartet. Es handelt sich bei diesem Buch um die knallharte, realistische Erzählung um vier zunächst hilflose, ihren Lebensumständen ausgelieferte Frauen im Einwanderermilieu von New York. Nichts von ausklingenden Roaring Twenties im hippen New York, keine Gatsby-Ästhetik. Diese Frauen kämpfen um das Überleben und Maria Duenas setzt ihre Protagonistinnen harten Schlägen, Umbrüchen und Verlusten aus. Etwas, was das Cover des Buches zunächst nicht vermuten lässt. Dies wurde vom Insel Verlag dem derzeit gängigen Vorbild „historischer Frauengeschichten“ angepasst – eine oder mehrere Frauen im Vordergrund, losgelöst vom Hintergrund schauen sie in die Ferne – und wird meines Erachtens der großen Literatur, die zwischen den Buchdeckeln steckt, nicht ganz gerecht.

Duenas beschreibt mit einer fulminanten Sprache die Emanzipation und Integration dieser zunächst unsympathischen, überheblichen Frauen. Zunächst erscheint dabei manche Ausführung zu ausführlich und langatmig, es wird jedoch schnell deutlich, dass dies ein Stilmittel darstellt, welches es nachvollziehbar macht, warum auftauchende Nebenfiguren bestimmte Entscheidungen im Zusammenhang mit den drei Schwestern treffen. So wird eine Lebensgeschichte auf zwei bis drei Seiten reflektiert, um dann in der Reaktion auf die Schwestern zu münden. Auf fast 600 Seiten begleiten wir nur gerade einmal etwa ein Jahr der Schwestern in New York. Durch diese Ausführlichkeit werden die Figuren jedoch dermaßen nachvollziehbar gemacht, dass sie vollkommen authentisch erscheinen. Ohne irgendein Hintergrundwissen zur hispanischen Enklave, findet sich der Leser mit Haut und Haaren in der Szenerie. Nicht nur die Protagonisten sondern auch deren Umgebung erscheinen bildhaft vor dem Leser, um darin einzutauchen.

Als einziges minimales Manko ist bei mir die wörtliche Rede im ersten Teil des Buches aufgefallen. Diese wechselt unablässig zwischen Sätzen in Anführungszeichen und dann wieder absatzweise ohne diese. So wird das Lesen holprig. Ob dies an der Übersetzung aus dem Spanischen liegt, kann ich nicht einschätzen. Vielleicht gibt es dort grammatikalische Wendungen, die ohne Anführungszeichen auskommen.

Insgesamt finde ich diesen Roman brillant geschrieben und mitreißend in der Erzählung um Emanzipation und Integration.