Wunderbare Hommage an Louis Braille, den Erfinder der Blindenschrift

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
monika85 Avatar

Von

In seinem Debütroman "Eine Fingerkuppe Freiheit" widmet sich Thomas Zwerina, der 2018 sein Augenlicht vollständig verloren hat, dem Leben von Louis Braille, dem Erfinder der Blindenschrift.

Louis Braille wird 1809 in dem kleinen französischen Ort Coupray als Sohn eines Sattlers geboren. Als er drei Jahre alt ist, verletzt er sich in der Werkstatt seines Vaters mit einer Ahle am rechten Auge so schwer, dass er erblindet. Infolge von Entzündungen verliert er Monate später auch auf dem gesunden Auge seine Sehkraft. Als Louis sieben Jahre alt ist, nimmt der Priester des Orts die überdurchschnittliche Intelligenz des Jungen zum Anlass, den Dorfschullehrer zu überreden, ihn in seine Schule aufzunehmen. Louis ist ein wissbegieriger Schüler mit hervorragendem Gedächtnis und wird mit 10 Jahren in ein Blindeninternat in Paris aufgenommen. Die "Nachtschrift", eine neuartige Schreibmethode, die der ehemalige Offizier Charles Barbier für Kinder entwickelt hat, dient ihm als Grundlage für seine Blindenschrift, die aus nur 6 erhabenen Punkten besteht.

Der Autor erzählt Louis' Geschichte in einer sehr besonderen, anspruchsvollen und wunderschönen Sprache, die mich sofort begeistert hat. Es war spannend, die Entwicklung des jungen Louis zu verfolgen, der es durch seine Intelligenz, Ehrgeiz und Hartnäckigkeit schaffte, eine leicht lesbare Schrift für Blinde zu entwickeln. Es hat mich sehr beeindruckt, mit welcher Leidenschaft Louis an seiner Blindenschrift tüftelte und sie mit nur 16 Jahren fertigstellte - was für eine Leistung! 

Nicht nur Louis als Hauptperson, auch die Nebenfiguren sind sehr bildhaft und authentisch gezeichnet. Ich mochte so viele von ihnen, neben dem liebenswerten und bescheidenen Louis ganz besonders seine Eltern, die immer für ihn kämpften, denen seine Schulbildung wichtig war und die ihn vor einem Leben als Bettler bewahren wollten. Ich mochte auch den Priester und den Lehrer in Coupray sowie die beiden Pariser Freunde Hippolyte und Gabriel. Die Beschreibung des Lebens blinder Kinder im 19. Jahrhundert ist Thomas Zwerina sehr eindrucksvoll gelungen, hochinteressant fand ich auch den Einblick in die damals für Blinde übliche Technik der Reliefdrucke und die Probleme, die die Kinder damit hatten.

Der warmherzig erzählte Roman, der einen Zeitraum von 43 Jahren umfasst, hat mir sehr gut gefallen. Ich habe mitgelitten, als Louis sein Augenlicht verlor, habe mich gefreut, dass er neben seinen liebevollen Eltern auch engagierte Förderer hatte, und ich habe mitgefiebert, als er unermüdlich an seiner 6-Punkte-Schrift arbeitete, die allen blinden Menschen den Zugang zur Literatur ermöglichen sollte. 

Absolute Leseempfehlung und wohlverdiente 5 Sterne für dieses großartige Buch, das mich beeindruckt, gefesselt und zutiefst berührt hat!