Eisige Langeweile

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murksy Avatar

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Es gibt Bücher, die werden mit einer geradezu unanständigen Wollust verschlungen. Kaum hat man das Buch aufgeschlagen, sind auch schon die ersten hundert Seiten durch und der Leser fiebert nach mehr, kann sich nicht losreißen.

Und dann gibt es Bücher, da blickt man immer wieder verstohlen auf die Seitenzahl oder die verbleibende Dicke des noch zu lesenden Werkes, um sich dann wieder seufzend an die zähe Kost zu wagen. Das zu besprechende Buch gehört zu letzteren.

Eine Mischung aus Wissenschaftsroman, gruseliger Vampirgeschichte mit historischem Hintergrund, Liebesromanze...all das wollte der Autor vereinen, vielleicht um möglichst viele Leser zu erreichen. Oder vielleicht wollte er auch nur zeigen, was für ein brillianter, perfekt recherchierender Schriftsteller er ist. Doch man fühlt sich sehr schnell an weit bessere Vorbilder erinnert. Filme wie "Das Ding aus einer anderen Welt", Anne Rice und ihre Vampirromane, natürlich Crichton und Co. und einer Prise "Krieg und Frieden". Das klingt zunächst vielversprechend und spannend, eine ähnliche Geschichte hätte ein Crichton zu Lebzeiten vermutlich in einen schlafraubenden Thriller verwandelt. Im vorliegenden Fall gelang dies nicht. Die Geschichte zieht sich in über 630 Seiten wie ein zähes Band dahin, springt ständig zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her, ohne wirklich zu fesseln. Ohne Frage sind die Details gut recherchiert. Man erfährt nebenbei, wie ein Hundeschlitten dirigiert wird, oder einen Tauchanzug anlegt und Berge mit Seilen erklimmt. Schön, aber nicht notwendig für die Story. Es füllt die Seiten, mehr aber auch nicht. Alles wirkt aufgesetzt und erhöht nicht wirklich den Spannungsbogen. Ein wenig Spannung entsteht erst nach ca 300 Seiten, wenn

endlich die Vampire das Licht der Neuzeit erblicken. Doch selbst dann wirken die sogenannten Spannungsmomente eher blutleer. Ein Vampir taucht aus einem Eisloch auf und packt einen Wissenschaftler. Wieso kommt der Vampir aus dem Wasser, war er doch zuvor bequem an Land? Ein Horror/Gruselroman muss ja nicht glaubwürdig sein, aber auf keinen Fall einschläfernd. Des weiteren diese hochwichtigen Zeitangaben. 20.Juni 1854, 18:00 Uhr steht zu Beginn eines Kapitels. Aha. Die Angabe der Uhrzeit soll wohl den wissenschaftlichen Charakter unterstreichen, mehr aber auch nicht.  Bei den Szenen im Polareis würde das vielleicht noch Sinn machen, aber gerade der Verlust des Zeitgefühls macht das Leben dort doch so unheimlich. Zeitangaben: absolut unnötig. Aber auch das rundet das Bild dieses pseudowissenschaftlichen Vampirromans ab, der einfach zu lange ist und aus zu vielen Versatzstücken besteht. Das Buch hat viele Vorbilder, allesamt sind unterhaltsamer. Die Leseprobe hatte mich nicht überzeugt, der Roman, durch den ich mich trotzdem tapfer gekämpft habe, noch weniger. Die Darsteller wirken zu blaß, die wissenschaftliche Sensation, dass zwei Vampire plötzlich im Polareis auftauchen und auftauen, scheint sogar die Wissenschaftler nur am Rande zu erstaunen. Man stelle sich das vor: eine Forschungstation im Nichts und plötzlich erscheinen zwei Wesen, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Welche Panik würde das erzeugen? Purer Schrecken und Verstörung? Doch allzu gelassen gehen die Menschen in dem Buch damit um, zu wissenschaftlich also.

Es hätte ein toller Reißer werden können, spannend und fesselnd. Chance vertan, schade. Zu viel Beiwerk, zu langatmig. Auch wenn die letzten hundert Seiten etwas auftauen, selbst das vorhersehbare Ende lassen einen das Buch enttäuscht weglegen. Kein Biss, dieser Vampirroman.