Hochgejubelt und niedergemacht

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philipp.elph Avatar

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Hochgejubelt, weil John le Carré in seinem kürzlich in Deutschland erschienen neuen Roman die Ereignisse um Whistleblower Edward Snowdon vorwegnahm. So zu lesen in diversen Rezensionen. Niedergemacht ob der lausigen Übersetzung der deutschen Ausgabe. (Der Bund)

Einigkeit herrscht darüber, dass die Story, wie bei Le Carré meistens üblich, gut recherchiert wurde. Ob denn ein Plot wegen der Whistleblower besonders beachtenswert ist, sei dahin gestellt. Es ist nicht der Begriff an sich, der sowohl im Roman als auch im wahren Leben von so inhaltsträchtig ist, denn Whistleblower gab es bereits, als das Wort in dieser Bedeutung noch gar nicht existierte. Ein Prophet ist der Autor deshalb noch lange nicht.

Das Ereignis, um das es geht, ist eine britische Geheimdienstoperation in Gibraltar. Sie läuft total aus dem Ruder. Statt einen Terroristen einzufangen werden zwei Flüchtlinge in ihrem Versteck erschossen: Mutter und Kind. Dieses Ereignis, das ein publicity-süchtiger egomanischer britischer Minister mit einer amerikanische Söldnertruppe – der modere Begriff dafür ist: Privater Militärdienstleister – in Beisein eines kleinen britischen Spezialkommandos und eines unbedeutenden Diplomaten im Dienste Ihrer Majestät so kläglich versiebt hat, wird geheimgehalten. Der Diplomat erhält einen angenehmen Job in der Karibik, die britischen Soldaten bekommen eine lukrative Offerte vom „privaten Militärdienstleister“.

Und wäre da nicht ein kleiner Beamter des Ministers während der Planungsphase hellhörig geworden, wäre da nicht der ehemals unbedeutende Diplomat, von Le Carré als Unterflieger in Gegensatz zu Überfliegern bezeichnet, gewesen, und hätte nicht dieser Unterflieger einen der an der Aktion beteiligten Soldaten wiedergetroffen, dann wäre diese Nacht-und-Nebel-Operation im Nebel von Politik und Geheimdiensten unsichtbar geblieben. Doch so wollen die ehrlichen Drei die „empfindliche Wahrheit“ ans Tageslicht befördern. Anders als Snowdon gehen sie nicht den Weg in die Öffentlichkeit, sondern versuchen, nahe am „offiziellen Dienstweg“ gehend, die Wahrheit zu den Verantwortlichen in Geheimdienst und Ministerium zu transportieren. Und da sitzt die junge Garde, Funktionäre der Apparate, die nicht daran interessiert ist, das, was vor ihrer Zeit geschah, zur Kenntnis zu nehmen. Mit massiven Drohungen und sämtlichen Mitteln der (Polizei-) Gewalt verhindert sie es.

Was John le Carré hier fabuliert, ist eine Geschichte zur Zeit des Aufstiegs und der Macht der New Labour Regierung und dem Versagen eines ihrer Staatsminister. Mehr als 300 Seiten versteht es Le Carré, zügig und packend zu erzählen, während der nachfolgenden 100 Seiten möchte der Leser nur eins: wissen, wie die Geschichte ausgeht. Ob denn nun die Übersetzung des Thrillers gelungen ist oder nicht, interessiert in dieser Phase nicht, nur Erfolg oder Misserfolg der Whistleblower. Snowdon hätte es anders gemacht. Vielleicht wäre es besser gewesen, der Autor hätte sich mit dem Erscheinen des Buches noch ein paar Monate Zeit gelassen und den Fall Snowdon partiell adaptiert. So ist es nur ein Thriller von altbackener Art, keineswegs prophetisch.