Geheimnisvolle Tagebücher
Die Protagonistin der ersten vier Camilla-Läckberg-Krimis, Erica Falck, findet die Tagebücher ihrer Mutter Elsy aus den letzten Kriegsjahren. Damals war Elsy gerade mal 15 - und offenbar ganz anders als die Tochter sie später kennengelernt hat. Sie war offen, liebevoll und beliebt - zu den Töchtern hingegen eher abweisend. Elsy schreibt viel über ihre Clique, in der Erik, Frans, Britta und Hans eine Hauptrolle spielen. Erik, Britta und Frans leben im Gegensatz zu den anderen noch - allerdings nur, bis Erik einem Mord zum Opfer fällt.
Erik ist inzwischen pensionierter Geschichtslehrer, der sich intensiv mit der Nazizeit beschäftigt hat. In seiner Jugend war es sein Bruder Axel, der den Widerstand der Norweger unterstützt hat - nun ist dieser seit langem für das Wiesenthal-Zentrum tätig, um die damaligen Täter ihrer Strafe zuzuführen. Aus den Tagebüchern erfährt Erica auch, dass ihre Familie einem norwegischen Widerständler Unterschlupf geboten hat - offenbar mit Folgen.
Läckberg verquickt die vielfältigen Beschreibungen der Familiengeschichte, die bereits aus den ersten Bänden bekannt sind, mit den aktuellen Mordermittlungen. Diese verlaufen sich zunächst in den schwedischen Neonazikreisen, doch durch die "Einmischungen" sowohl von Erica als auch von Patrick, der ja eigentlich in seiner - politisch korrekten - Elternzeit ist, gibt es auch andere Ansätze.
Allerdings liegt auch genau dort der zu kritisierende Knackpunkt: Zwar soll der Hauptermittler der Tanumsheder Polizeidirektion brav seine Elternzeit nehmen, aber gleichzeitig scheinen außer ihm nur Kommissare anwesend zu sein, die nur wenig Ahnung haben. Sie vergessen ganz klassische Ermittlungsschritte - und alle Schuld dem immer wieder als inkompetent dargestellten Leiter des Kommissariats Mellberg zuzuschreiben, gelingt nicht.
Auch verliert sich Läckberg immer wieder zu sehr in zu viel Familiendetails. Ericas Schwester Anna nimmt sehr viel Raum ein, genau wie die amourösen Abenteuer von Mellberg. Wer wenig Geduld mitbringt, wird sich in diesen Passagen immer wieder fragen, warum hier so viel Seiten verschwendet wurden.
Zu kritisieren sind für mich auch der deutsche Titel, denn die Übersetzung von "Tyskungen" müsste eigentlich "Deutschenbalg" heißen - vielleicht zu vielsagend oder für den deutschen Markt als nicht geeignet erachtet. Aber eine bessere Entsprechung wäre doch besser gewesen. Allerdings ist dieser Titel auch sehr sprechend - und nimmt schon viel vom Fall vorweg. Ebenso problematisch ist das Cover: Schwedenidylle pur, ein bisschen Felsen, ein schickes falunrotes Häuschen, Wasser, ein Boot - und so sieht es noch nicht mal in Fjällbacka aus! Hier gibt es deutlich mehr kleine Schären im Meer.
Insgesamt ist aber bei "Engel aus Eis" wieder - sowohl sprachlich als auch inhaltlich - eine Steigerung zum Vorgänger zu bemerken. Und mit dem historischen Ansatz begibt sich Läckberg auf ein anspruchsvolles Terrain, das sie auch gut bearbeitet. Trotz aller Kritik, die sich ja auch vor allem an den deutschen Verlag richtet, ein lesenswerter Krimi.