Zartblaue Schulheftseiten und mahlende Kauwerkzeuge...

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Endlich - die lang ersehnte Fortsetzung der Arbeit von Patrik Hedström und Erica Falck jetzt auch in der deutschen Fassung! Der Vorgängerband "Die Totgesagten" schließt mit einer geheimnisvollen Entdeckung Ericas auf ihrem Dachboden – in einem Karton findet sie einen Naziorden, hellblaue Tagebücher, ein Babyhemdchen mit einigen Blutflecken... Dieser Fund stellt sie und ihren Mann Patrik vor ein Rätsel, denn keiner von ihnen weiß, warum Elsy Falck, Ericas und Annas Mutter, all das aufgehoben hat. Am liebsten hätte man auch als Leser sofort gewusst, wie die Geschichte weiter geht, aber nun ist die Neugier ja endlich mithilfe der nächsten Übersetzung eines Läckberg-Krimis befriedigt worden!

Ericas Mann Patrik, der sich eigentlich nun in Elternzeit befindet, tut sich (erfrischend realistisch dargestellt) noch etwas schwer mit seiner neuen Rolle. Er nimmt Tochter Maja mit aufs Polizeirevier, unterstützt seine Kollegen in ihrer Ermittlungsarbeit, setzt Maja währenddessen bei Sekretärin Annika ab und unternimmt mit ihr lange Spaziergänge mit Exfrau Karin und deren Sohn Ludde. All das stimmt Erica nicht gerade positiv, da sie sich gewünscht hatte, nun endlich selbst wieder arbeiten zu können, wenn auch von zu Hause aus. Ihre eigenen Recherchen die Souvenirs ihrer Mutter betreffend scheinen jedoch mit Fjällbackas aktuellstem Mordfall eng zusammen zu hängen. Interessiert studiert sie die zartblauen, linierten Tagebücher ihrer Mutter, die zunächst deren alltägliches Leben als junges Mädchen in den 40er Jahren in Schweden schildern. Zur Clique ihrer Mutter gehörten Personen, die teilweise immer noch in Fjällbacka leben. Die Brüder Erik und Axel Frankel, die hübsche Britta Johansson, der aufbrausende Frans Ringholm und der geheimnisvolle Norweger Hans Olavsen. Erica entschließt sich, diese aufzusuchen, um endlich mehr über ihre Mutter zu erfahren. Innerhalb von 2 Monaten sterben der zurückhaltende Historiker Erik und Britta unter ungeklärten Umständen, was Erica stutzen lässt, zumal sie mit beiden gerade erst kurz vorher Kontakt aufgenommen hatte. Erik wollte sich den von ihr gefundenen Orden näher anschauen und Britta, die an Alzheimer litt, hatte einige verworrene Andeutungen gemacht. Patrik und Erica entschließen sich wieder einmal, gemeinsam Licht ins Dunkel zu bringen und zusammen zu arbeiten. Hat der heute noch nazionalistische eingestellte Frans etwas mit den Morden zu tun? Und was ist aus dem Norweger Hans geworden? Erica und Patrick sind des Rätsels Lösung auf der Spur.

Zunächst einmal finde ich es sehr wohltuend, dass Camilla Läckberg ihre Story bedächtig entfaltet und sich nicht - wie viele Krimiautoren - in der Schilderung von allzu blutrünstigen, reißerischen Details verliert. Sie lässt sich Zeit, ohne zu langweilen. Bereits in den Vorgängerbänden lässt Läckberg immer wieder einfließen, dass die Töchter kein enges Verhältnis zu ihrer Mutter Elsy hatten, die ihnen steif und kalt begegnete. Ein Leben lang haben sie nach Erklärungen dafür gesucht, aber keine Anhaltspunkte für ihre menschliche Kälte gefunden. Auf diesen Sachverhalt geht die Autorin nun genauer ein und lüftet das Rätsel um die dunklen Hintergründe der Biographie Elsys.

Die bereits im Prolog gekonnt geweckte Erwartungshaltung des Lesers wird nicht enttäuscht, man tappt - wie immer bei Läckbergs Krimis - lange im Dunkeln, wer der eigentliche Täter sein könnte. Scheibchenweise erhält man immer mehr Informationen, die sich schrittweise zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Die Motive des Täters werden glaubwürdig und nachvollziehbar geschildert und die verschiedenen Rahmenhandlungen interessant miteinander verwoben. Die Rückblenden sind klar durch entsprechende Überschriften und Absätze kenntlich gemacht, sodass man weiß, in welcher Zeit man sich gerade befindet.

 Man fühlt mit, mit dem einsamen Bertil Mellberg, der durch seinen Hund Ernst neuen Lebensmut erhält und sich zu einem Salsakurs anmeldet, kann die Doppelbelastungen der Hedströms verstehen und fiebert mit der schüchternen Anna mit, dass sie endlich einen passenden Partner findet. Läckberg lässt auch die homosexuelle Beziehung der Polizistin Paula und deren schwangerer Freundin Johanna einfließen und schildert deren Umgang mit Vorurteilen und Ängsten, gegen die sie in der schwedischen Kleinstadt anzukämpfen haben. Genauso ist die Angst Patriks alternder Mutter Kristina vor der Einsamkeit ein Thema. Ich finde es lobenswert, dass die Autorin sich auf diese Art auch mit aktuellen, gesellschaftlichen Themen auseinander setzt und diese geschickt am Rande mit in ihre Handlung einbaut.

Camilla Läckbergs 5. ins Deutsche übersetztes Buch kann wieder einmal mit seinen Vorgängern mithalten, was eine glaubwürdige und interessante Geschichte zwischen Gegenwart und Vergangenheit sowie einen erfrischenden Erzählstil betrifft. Schwedens Krimitalent schreibt wieder einmal zutiefst faszinierend, aufwühlend und packend und schafft es gleichzeitig, die Biographien der vielen, lebensnahen Figuren gekonnt einfließen zu lassen. Die Lektüre lässt einen lange nicht los und stimmt nachdenklich. Erneut ist dies "kein Krimi wie jeder andere", der eine abgedroschene, vorhersehbare Story nochmals aufwärmt, sondern neue eigene Ideen gekonnt inszeniert, ohne dabei künstlich oder verkrampft zu wirken. Es wäre wünschenswert, dass man nicht wieder so lange auf die Übersetzung des Folgebands warten muss, da sie im Schwedischen ja schon vier weitere Werke dieser Reihe vorgelegt hat...- Von mir erhält dieses Buch 5 Sterne und alle Daumen hoch!