Ein großes Debüt

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mammutkeks Avatar

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Mit "Eva schläft" legt die Drehbuchautorin Francesca Melandri ihren Debütroman vor - und dieser ist, so viel sei gleich zu Anfang gesagt, äußerst gelungen. Melandri verquickt die Familiengeschichte von Gerda und Eva Huber mit der wechselvollen Geschichte Südtirols. Dem Teil Italiens, der mit den Friedensverträgen nach dem ersten Weltkrieg von Österreich an Italien ging, der sich aber dort nie wohl fühlte. Die Darstellung der verschiedenen Separationsbestrebungen, sowohl mit terroristischen als auch mit vertraglichen Mitteln, geschieht in den mit Jahreszahlen betitelten Kapiteln. In den mit Kilometerangaben versehenen Kapiteln denkt Eva an ihre eigene Geschichte zurück - denkt viel an ihre Mutter, ihren Cousin Ulli, der an seiner Homosexualität zerbrochen ist, an den Nennvater Vito, zu dessen Sterbebett sie unterwegs ist - unterwegs längs durch den italienischen Stiefel, unterwegs mit dem Zug und diversen Reiseeindrücken, die auf anrührende Art beschrieben werden.

Besonders beeindruckend ist das Zusammenspiel zwischen der kleinen Geschichte rund um Gerda, Eva und Co. und der großen, politischen Geschichte gelungen. Denn "große" Geschichte hat ja auch immer ihre Auswirkungen auf das individuelle Schicksal, sei es wie hier durch den terroristischen Bruder Peter, der durch Sprengungen von Strommasten versucht, die Freiheit Südtirols zu erlangen oder sei es beispielsweise durch die gesellschaftliche Ächtung von unehelichen Kindern, die ihre Auswirkungen auch auf Gerda und Eva hat.

Die Geschichte beginnt mit einem Päckchen, dessen Annahme Gerda verweigert, obwohl es doch für ihre Tochter Eva bestimmt war. Doch "Eva schläft" - und so reist das Paket aus dem äußersten Süden Italiens erst nach Südtirol und dann wieder zurück. Diese Reise unternimmt viele Jahre später auch Eva selbst - in einem Zug, der sie langsam durch die wechselvolle Landschaft Italiens bringt.

Das Buch beginnt auch mit dem Jahr 1919 - dem Schicksalsjahr für die Geschichte Südtirols, wird doch in Saint-Germain-en-Laye von den Siegermächten des Krieges ein Friedensvertrag geschlossen, mit dem, "um das untergegangene österreichisch-ungarische Kaiserreich zu bestrafen, Südtrio dem Königreich Italien" zugeschlagen wird. Allerdings waren die "Südtiroler deutschsprachig und fühlten sich so vollkommen heimisch in der österreichischen Donaumonarchie, dass sie nicht danach verlangten, von irgendjemandem befreit zu werden."

Auch wenn vielfach der eigentliche Beruf der Autorin durchscheint und man sich in einem Drehbuch befindlich glaubt, ist der Roman sprachlich und inhaltlich gut gelungen. Wiederholungen sind zwar vorhanden, allerdings nicht unbedingt störend - wenn auch die schlafende Eva als Titelgeberin nicht unbedingt ideal gewählt ist. Die Personen sind gut gestaltet, nachvollziehbar in ihren Handlungen - und über die Geschichte Südtirols habe ich auf angenehme Art etwa so viel erfahren, wie ich auch wissen möchte.