Anders als erwartet

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lunamonique Avatar

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„Familie und andere Trostpreise“ ist der Debütroman von Autorin Martine McDonagh. Eine Reise in die Vergangenheit offenbart ungeahnte Wahrheiten.

„Außer der Tatsache, dass der Schlüssel zum Universum in meine Obhut überging, unterschied sich dieser Geburtstag nicht wirklich von einem normalen Geburtstag. Einundzwanzig ist ja einfach irgendeine Zahl, oder? Aber ziemlich bald lief der ganze Tag aus dem Ruder.“ Aufgrund der Ereignisse beschließt Sonny, nach England zu reisen und seine Mutter zu suchen.

Sonny hasst jede Veränderung, kann Knutsch-, Saug- und Essgeräusche nicht ausstehen und Briefumschläge machen ihm Angst. Sein Lieblingsfilm ist eine Zombiekomödie. Vertrauen hat er nur zu seinem Vormund Thomas. Die Reise aus seinem sicheren Universum wird für Sonny zur Herausforderung. Überall lauern Alltagsgeräusche, die ihn abstoßen und nicht immer ist eine Flucht möglich. Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive aus Sicht der Hauptfigur erzählt. Die persönliche Ansprache an die Mutter berührt. Es ist zu spüren, dass sie ihm immer noch viel bedeutet, obwohl sie ihn schon vor Jahren verlassen hat. Jeder hat seine Geheimnisse. Auf seiner Reise begegnet Sonny den Menschen, die seinen Eltern nahestanden standen. Die Konfrontationen kosten Überwindung. Sonny ist nicht erpicht darauf, seiner Vergangenheit zu nahe zu kommen. Seine Gesprächspartner versuchen permanent, ohne es zu wissen, Grenzen zu überwinden. Die Gedankenkommentare der Hauptfigur setzen seine wahren Emotionen in Szene. Sonnys Eigenarten, seine Abscheu, unterschwellige Sehnsucht und Hoffnung tragen die Geschichte. Haben seine Eltern ihn völlig verkorkst? Im letzten Buchdrittel kommen Wahrheiten ans Licht, die schockieren. Das Leben seiner Familie ist schon früh aus dem Ruder gelaufen. Treibende Kraft war sein herrschsüchtiger, egoistischer und manipulativer Vater. Schwer nachzuvollziehen für Sonny, dass Menschen wie seine Mutter Sarah, Guru Bim vergöttert haben und ihm gefolgt sind. Das Skurrile und die Charaktere hätten der Geschichte einen besonderen Unterhaltungswert verleihen können. Tatsächlich schwingt eine ansteigende Schwere mit. Ein Junge wurde zum Spielball seiner Eltern. Liebe hat er nur außerhalb seiner Familie erfahren. Das Verhalten von Mutter Sarah und Vater Robin alias Guru Bim ihrem Sohn gegenüber ist verantwortungslos und unerträglich. Wird sich alles zum Guten wenden? Es geht um Narzissmus, Liebe, Schicksale, die miteinander verbunden sind, Schuld und Reue. Welche Konsequenzen wird Sonny aus seiner Reise ziehen? Was ist sein zukünftiger Weg? Es fällt einerseits schwer, zu der Hauptfigur Zugang zu entwickeln, andererseits kommt der Wunsch auf, dass Sonny an seinen Erfahrungen wächst und sein Lebensziel findet. Sonnys lehrreiche Erkenntnis am Ende ist das Highlight und rundet die Geschichte ab. Die letzten Zeilen fassen seine Emotionen und seine Einsicht perfekt zusammen.

Das Cover mit den unbeschwerten Kindheitsszenen schürt die Erwartungen auf eine unterhaltsame, humorvolle Geschichte. Kreativ ist die Gestaltung mit den Fotos. Der Titel deutet Schwierigkeiten in der Familie an, hat aber immer noch eine gewisse Leichtigkeit. „Familie und andere Trostpreise“ offenbart die dunklen Seiten der Charaktere und hat überraschende Wendungen parat, wirkt aber auch über lange Strecken etwas langatmig. Nicht der erhoffte Lesespaß, aber eindringlich und besonders. Am Interessantesten sind Sonny und Thomas. Der Roman hat auch eine Weisheit zum Thema „Leben“ parat.