3,5 Sterne: Konnte mich nicht so begeistern und fesseln wie "Blind Walk"

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lovely_lila Avatar

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* Spoilerfreie Rezension! *

~ Leider konnte mich „Fanatisch“ trotz des routinierten, angenehmen Schreibstils, des aktuellen, interessanten Themas und der sympathischen Hauptfigur nicht so begeistern wie das letzte Jugendbuch der Autorin, „Blind Walk“, das ich euch nur ans Herz legen kann. Dies lag vor allem an manchen Nebenfiguren, die mich nicht ganz erreichen konnten, am zu schnell abgehandelten Schluss und an der fehlenden Spannung. Dennoch: Nur weil dieses Buch nicht ganz nach meinem Geschmack war, heißt das noch lange nichts. Auch das nächste Buch der Autorin wird sofort wieder auf meiner Wunschliste landen, einfach weil ich weiß, wie talentiert sie ist. ~

Inhalt

Sechs Mädchen verschwinden ohne eine Spur und tauchen sechs Tage später unerwartet wieder auf. Sie sind verletzt und traumatisiert, jedoch weigern sie sich, über das, was ihnen geschehen ist zu sprechen. Sie wissen, wenn sie reden, bringen sie ihre Lieben in Gefahr. Denn es ist noch nicht vorbei…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: hauptsächlich Ich-Erzähler, Präteritum
Perspektive: aus weiblicher Perspektive, kurze Kapitel aus Er- und Du-Perspektive, die Einblick in den Kopf des Entführers und eines Opfers geben
Kapitellänge: normal bis eher lang für ein Jugendbuch, meist ungefähr 10-20 Seiten
Tiere im Buch: - Es wird im Buch ein Hund entführt und auf grausame Weise getötet.
Außerdem wichtig: Katzen dürfen erst mit 12 Wochen von der Mutter getrennt werden, keinesfalls mit sechs Wochen! Traurig, dass dieses falsche Wissen noch so verbreitet ist und auch in Jugendbücher Einzug findet. Hier hätte die Autorin besser recherchieren müssen! Werden Kätzchen zu früh von der Mutter getrennt oder alleine gehalten, entwickeln sie oft schwerwiegende Verhaltensstörungen (Aggressionen, Unsauberkeit etc.) und/oder sind sehr unglücklich. Bitte informiert euch, bevor ihr ein Tier aufnehmt!

Warum dieses Buch?

Da mich das letzte Jugendbuch der Autorin, „Blind Walk“, absolut begeistern konnte, führte für mich an dieser Neuerscheinung kein Weg vorbei.

Meine Meinung

Einstieg (+)

Der Einstieg verläuft absolut angenehm und leicht. Sofort zog mich Patricia Schröders einnehmender Schreibstil in die Geschichte und auch die rätselhaften Botschaften, die Nara erhält, schürten natürlich meine Neugier.

Schreibstil (+)

Der Schreibstil ist angenehm und einfach, dennoch nicht lieblos oder oberflächlich. Für Jugendliche ist die Sprache perfekt, da mit Leichtigkeit sowohl Gefühle und Humor transportiert als auch Spannung erzeugt werden kann. Man merkt zudem bei jedem Wort, wie routiniert und erfahren die Autorin schreibt: Keine Unsicherheiten oder Wortwiederholungen sind zu entdecken – im Gegenteil, hier ist jedes Wort am richtigen Platz.


"Hinterher,
als er gefesselt auf dem Bett lag,
wurde ihm klar,
dass er das Ganze vollkommen anders hätte angehen müssen." Seite 89


Figuren (+/-)

Nara ist eine angenehme Hauptperson, die ich gleich auf den ersten Seiten sehr sympathisch fand. Sie ist intelligent und mutig, hat außerdem Humor. Gut gefällt mir hier, dass die Autorin sich dieses Mal für eine muslimische Hauptfigur entschieden hat. Durch die Ich-Perspektive ist man als Leserin stets nah dran Naras Gefühls- und Gedankenwelt, wodurch die Intensität ihrer Angst und Verzweiflung stets spürbar wird. Naras Freundschaft zu Charlotte und Jamie fand ich sehr schön dargestellt, Naras Charakterentwicklung überzeugt. Schade finde ich allerdings, dass ich Naras Verhalten an einigen Stellen trotzdem gar nicht nachvollziehen konnte. Meiner Meinung nach handelt sie stellenweise unlogisch oder dumm, nur damit die Geschichte in „praktische Bahnen“ gelenkt wird. Das hat mich gestört.

Die Nebenfiguren fand ich unterschiedlich gut ausgearbeitet. Manche wie Charlotte und Jamie konnte ich mir sehr gut vorstellen, andere wie zum Beispiel die Familie von Nara blieben für mich trotz der Anstrengungen der Autorin ungreifbar, blass und austauschbar. Das ist schade, aber vermutlich Geschmackssache.


"Ich musste da jetzt durch. Und Jamie hinter mir zu wissen, fühlte sich fast so an, als würde ich ein kugelsichere Weste tragen." Seite 85


Idee & Themen (+/-)

Es sind aktuelle, brisante Themen, die die Autorin in ihrem Roman verarbeitet. Jugendliche werden dadurch auf wichtige Dinge aufmerksam gemacht, die in ihrem Umfeld in diesem Moment möglicherweise vonstattengehen und die ungeahnte Auswirkungen haben könnten. Doch obwohl wichtige Themen wie Freundschaft, Religion, Radikalisierung etc. adressiert werden, hätte man meiner Meinung nach noch etwas in die Tiefe gehen können, was sowohl das Thema betrifft als auch Naras Gefühle am Ende. Hier wurden mir viele Dinge einfach zu schnell und linear abgehandelt. Über viele Dinge hätte ich gerne noch mehr Details erfahren, so dass ich leider unbefriedigt und mit einigen Fragen zurückblieb.

Spannung (-)

Obwohl die Handlung an sich interessant ist und obwohl man eigentlich mitfiebern sollte, als die Hauptfigur entführt und gefangen gehalten wird (kein Spoiler, da dies schon im Zeitungsartikel am Beginn des Buches steht), so wollte sich über viele Stellen bei mir einfach keine Spannung einstellen. Im Gegensatz zu „Blind Walk“ war ich nicht ans Buch gefesselt – im Gegenteil, manches Mal hatte ich gar keine rechte Lust weiterzulesen, obwohl sich die Geschichte aufgrund des tollen Schreibstils schnell lesen lässt. Meiner Meinung nach hätte man an einigen Stellen kürzen können, das hätte dem Buch mehr Tempo verliehen.

Ich fand auch, dass der Zeitungsartikel am Beginn des Buches und der Klappentext im Nachhinein eigentlich schon viel zu viel verraten haben. Auch deshalb fürchtet man nicht um die entführten Mädchen – man weiß, dass sie alle relativ gesund und munter wieder auftauchen werden. Toll fand ich die kleineren und die große überraschende Wendung am Ende der Geschichte. Ich hätte mit der Auflösung so nicht gerechnet! Interessieren würde mich, ob das geschilderte Projekt an Schulen so tatsächlich in der Realität existiert, weil mir das doch irgendwie ziemlich gefährlich erscheint. Vielleicht weiß es ja jemand, dann würde ich mich freuen, wenn ihr/Sie es mir in die Kommentare schreibt/schreiben!

Geschlechterrollen (+)

Auch in diesem Jugendbuch werfe ich wieder einen scharfen Blick auf die Darstellung von Geschlechterrollen. Und: Hier gibt es wieder nichts zu bemängeln! Patricia Schröder kreiert wieder eine starke Hauptfigur ohne Klischees und lässt z. B. auch den Vater in der Küche seinen Anteil tun. Man merkt, dass die Autorin nicht nur generell ein tolles Gespür und eine große Sensibilität für Jugendliche Gedanken- und Gefühlswelten, sondern auch für dieses wichtige Thema besitzt.

Mein Fazit

Leider konnte mich „Fanatisch“ trotz des routinierten, angenehmen Schreibstils, des aktuellen, interessanten Themas und der sympathischen Hauptfigur nicht so begeistern wie das letzte Jugendbuch der Autorin, „Blind Walk“, das ich euch nur ans Herz legen kann. Dies lag vor allem an manchen Nebenfiguren, die mich nicht ganz erreichen konnten, am zu schnell abgehandelten Schluss und an der fehlenden Spannung. Dennoch: Nur weil dieses Buch nicht ganz nach meinem Geschmack war, heißt das noch lange nichts. Auch das nächste Buch der Autorin wird sofort wieder auf meiner Wunschliste landen, einfach weil ich weiß, wie gut sie ist.

Empfehlung: Ich empfehle dieses Buch allen, die das Thema interessiert und die auf atemlose Spannung verzichten können.
Bewertung

Idee: 5 Sterne
Ausführung: 3,5 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne
Personen: 3,5 Sterne
Hauptperson: 4 Sterne ♥
Spannung: 2 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀,5

Diesem Buch gebe ich insgesamt 3,5 Lilien!

Vielen Dank an dieser Stelle an den Coppenrath Verlag und an Vorablesen für das Rezensionsexemplar! Dies hat meine Meinung in keiner Weise beeinflusst.