Ein Meisterwerk!

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kainundabel Avatar

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Den elterlichen Hof übernehmen, nein, das will er nicht, der Kaltner Franz. Tischler will er werden. Und überhaupt hätte ihm der Vater den Hof niemals überlassen wollen. Der ist für die älteren Brüder bestimmt, den Toni und den Leonhard, wenn sie nach dem großen Sieg zurückkommen von der Front, „wo ein deutscher Mann hingehört in der Stunde der Not“. Doch der Pflicht fürs Vaterland folgt der Tod fürs Vaterland. Ehrenvoll sei es, fürs Vaterland zu sterben, schwadroniert der Lehrer immer noch. Und so bleibt für Franz nur noch Elfi, die kleine geliebte Schwester, und sie lässt ihn alles ertragen: die Härte und Erniedrigungen des Vaters, die fehlende Liebe der Mutter. Nur sieben Jahre wird sie alt, die Elfi, sein Ein und Alles, „zu früh vom Herrgott abberufen“. Die verschwiegene Wahrheit lastet ein Leben lang auf Franz. Die Folgen einer Hirnhautentzündung haben Elfi in den Augen der Nazis zum „lebensunwerten Leben“ gemacht, zum „schädlichen Volkskörper“. In der Heil- und Pflegeanstalt Niedernhart sei sie am besten aufgehoben. Dort wird nicht geheilt und gepflegt, dort wird gemordet.
Mit „Fanzi“ ist Elisabeth Schmidauer ein literarisches Meisterwerk gelungen. Welch eine Erzählkraft, welch eine Sprache, die so völlig unkonventionell daherkommt, einfach, klar, wiederholend, aufzählend. Man muss sich einlesen, Freundschaft mit ihr schließen, um dieser Sprachkunst ganz zu verfallen. Die Tragik, die Franz umgibt, die „schwarze Welle der Schuld“ ist überall spürbar. Selten hat mich Literatur derart zutiefst berührt. Wenn Leonhard seinen Vater anfleht, ihn nicht mehr an die Front zurückzuschicken, wenn die Entscheidung getroffen wird, Elfi in eine Anstalt zu geben, wühlt jeder Satz, jedes Wort auf, geht unter die Haut, krallt sich fest bis zum Schluss. Die Namensliste am Ende des Buches als Reminiszenz an die ermordeten Kinder und Jugendlichen möge die kleinen Opfer der Euthanasie vor dem Vergessen bewahren.
Für mich schon jetzt der Roman des Jahres!