Enttäuschend

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thirteentwoseven Avatar

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Leider hat mir das Buch "Fischers Frau" von Karin Kalisa nicht ansatzweise so gut gefallen wie erhofft.
Die Geschichte ist eigentlich schnell erzählt, die von häuslicher Gewalt bedrohte Mia lebt völlig zurückgezogen und mehr oder weniger versteckt, um den Fängen ihres Vaters zu entgehen. Durch ihren Job als Teppich-/Fadenexpertin in einem Museum wird sie auf einen exotischen "Ostseefischerteppich" der 20-ziger Jahre aufmerksam. Sie verfolgt die Spur des Teppichs und seiner Knüpferin bis in den Balkan zurück und stößt auf eine große z. T. tragische Geschichte. Aber nicht nur das, in einer kleinen Teppichknüpferei findet Mia langsam ins Leben zurück.

Nicht nur am Anfang des Buches drückt sich die Autorin leider oft sehr gestelzt und akademisch aus. Beispiel:
"Als wäre die Möglichkeit einer unmittelbaren Aufkündigung eine, vielleicht sogar die entscheidende Ermöglichungsbedingung für ihr freiheitlich-kollektives Glück gewesen, hatte man sich auf Jamme ohne Verzweiflung, ohne Lamento, ohne Nostalgie, dafür mit Effizienz und Grazie davongemacht".

Das schlimme Schicksal von Mia, der Protagonistin, kommt nur langsam und andeutungsweise - quasi in Nebensätzen - heraus und wird kaum weiter ausgeführt, obwohl es ja der Anlass für die Geschichte und das Thema des Buches ist: Wie findet eine gebrochene und verängstigte Seele ins Leben zurück?
Die Autorin ist eine Künstlerin der literarischen Distanz und der leisen Töne. Auf alles wird wie aus großer Ferne und mit viel Abstraktion geguckt. Die eigentlich rührende Liebesgeschichte, die sich langsam und fast unbemerkt entspinnt, bleibt dadurch leider kalt wie ein Eisblock. Nur selten blitzen die Emotionen wie kleine Sterne auf.

Dies gilt auch für die Geschichte von Nina, die nichts weniger als des Fischers Frau und die Teppichknüpferin ist. Sie beginnt erst im letzten Drittel des Buches und geht fast bis zum Schluss. Ninas Geschichte stellt einen großen Bruch mit dem bisher Geschilderten dar und wurde sehr lieblos und brachial als Geschichte in der Geschichte eingefügt und steht als Fantasiegebilde, der bis dahin wirklichen Recherche über die Herkunft des Teppichs gegenüber. Der Roman wird dadurch sehr "unrund" und in sich gebrochen.
Das Ende schließlich ist einfach schlaff und langweilig.

Die Themenbereiche aus der Kunst (Faserarchäologie und antike japanische Keramiken) wirken wie z.T. die Spache zu elitär.

Natürlich hat der Roman auch Gutes. Das Thema Osteefischerteppiche ist interessant, exotisch und scheint sehr gut recherchiert. Auch viele fast philosophische Gedanken wie z.B. zu Falsch und Wahr / Echt oder zu Glück und Gerechtigkeit sind wertvoll und gefallen mir. Ninas Geschichte ist deutlich lebendiger geschrieben als die von Mia und hat einen Hauch von 1001 Nacht und zeigt das Potential der Autorin.

Dennoch: Trotz guter Ansätze konnte dieses Buch mich nicht wirklich fesseln. In meinen Augen wird die Erzählkunst der Autorin überbewertet, denn nur "wer mit dem Herzen spricht", erreicht die Menschen.

Gerade weil ich der Autorin wesentlich mehr zutraue, bekommt das Buch ein sehr hartes Urteil.