Zu viel gewollt

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Auf dem Cover sehen wir zwei stilisierte Frauenköpfe in blau und grün; insbesondere die Farbe grün wird im Roman eine Rolle spielen. Im Buch treffen wir auf Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen zwei oder mehr Identitäten haben; das erscheint zunächst spannend, wirkt im weiteren Verlauf aber aufgesetzt.
Mia Sund, Faserarchäologin und Kuratorin im Museum Greifswald bekommt einen Freester Fischerteppich auf den Tisch gelegt. Diese wurden in den 30ern geknüpft zum Erhalt des Einkommens während einer Zeit eines verordneten Fischfangverbots nach jahrelanger Überfischung. Dieser Teppich ist nicht nur bildschön (man möchte ihn sofort selbst haben) sondern enthält einen Namen und weitere Details, die nicht offensichtlich sind. Er weist ein ungewöhnliches Farbspektrum auf: viel Grün statt der üblichen bräunlichen Töne. "Nicht, dass es eine Fälschung ist". Dieser mit der Übergabe des Teppichs verbundene Satz öffnet eine Tür in Mias nicht unbelastete Vergangenheit. Diese wird bruchstückhaft beschrieben. Mir erschien die emotionale Verwirrung Mias, ausgelöst durch einen einzigen Satz, unglaubwürdig. Unklar ist, was mit ihrer eigentlichen Arbeit passiert; sie kümmert sich jedenfalls ausschließlich um diesen Teppich. Sie beantragt eine Dienstreise nach Zagreb; von dort wurde das Exponat an das Museum verschickt. Dort trifft sie auf die Liebe, der sie sich zunächst entzieht. Statt eines wissenschaftlichen Berichts über ihre Erkenntnise schreibt sie über Wochen einen Roman über die Entstehung des Teppichs. Sie füllt den in den Teppich 'verwoben' Namen 'Nina' mit Leben. Diese landet in den 30ern in Freest und macht sich als begabte Knüpferin und begnadete Erzählerin einen Namen. Auch sie begegnet der Liebe. Aufgrund ihrer Herkunft muss sie im 3. Reich mit ihrem Mann das Land verlassen; beide gehen nach Schweden. Dieser besondere Fischerteppich ist eine Art Vermächtnis von ihr.

Was hätte man aus diesen pommerschen Fischerteppichen und der Idee, versteckte Botschaften einzuknüpfen, alles machen können. Statt dessen trifft man auf zwei Liebesgeschichten, die mich emotional nicht erreichten. Ich hab mich daran gewöhnt, dass nahezu jeder moderene Roman auf verschiedenen zeitlichen/ erzählerischen Ebenen spielt; muss es auch noch sein, dass die eine Protagonistin die andere 'erfindet'? Als störend empfand ich die Bandwurmsätze - zum Teil ziehen diese sich über 11 Zeilen. Auch finden sich zuhauf Wortspiele. Teilweise sind diese schmerzlich pseudointellektuell.
Ich hatte mich sehr auf das Buch gefreut und bin enttäuscht. Es gibt trotzdem noch drei Sterne, da Kalisa den Teppich so liebevoll und plastisch beschreibt und mein Interesse an diesen pommerschen Teppichen geweckt wurde.
Vielleicht nimmt sich jemand anders des Themas noch mal an; das Buch würde ich dann gerne lesen.