Eine erfrischend anspruchsvolle und unterhaltsame Lektüre

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Mit „Florance Bell und die Melodie der Maschinen“ schickt Carsten Steenbergen ein ungewöhnliches Mädchen in einer ungewöhnlichen Welt ins Rennen: eine wilde Mischung von Figuren und Ideen scheint garantiert.

Tatsächlich kommt es dann auch so ähnlich: Das Buch spielt Anfang des 19. Jh. – doch nicht unserer „normalen“ Welt, sondern in einer „alternativen Vergangenheit“: Napoleon besetzt England, Maschinen übernehmen eine immer wichtigere Rolle im Leben der Menschen. Eine von ihnen ist Florance Bell, eine 15-jährige Waise, die ihrem Vormund Monsieur Pignon assistiert. Er darf für seinen „Arbeitgeber“ Earl Hellingway Maschinen zu konstruieren und zu bauen. Als Luftschiff-Rebellen einen von Pignons Prototypen stehlen, erwischen sie gleich auch Florance, die gerade an der Maschine beschäftigt war. So gerät sie mitten in die Rebellion ...

Die Idee, eine 15-jährige Waise in eine mögliche Vergangenheit zu stecken und sie „klassisch“ männliche Aufgaben meistern zu lassen, ist originell (ich wünschte, dies nicht mehr erwähnen zu müssen, aber so ist es nunmal). Das Buch wartet auf mit zahlreichen Skurrilitäten und originellen Einfällen (so schon die "Zeitungsschnipsel" zu Beginn und Ende des Buches). Manches mag an Pullmans „His Dark Materials“ erinnern, allerdings ist diese Geschichte sehr viel abgedrehter, Steampunk eben … die Figuren sind in weiten Teilen sympathisch (allen voran natürlich die pfiffige Protagonistin Florance) und entwickeln sich im Laufe der Geschichte plausibel weiter. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven und womit Steenbergen m. E. den Vogel abschießt, ist der Schreibstil: Denn der ist erfreulich abwechslungsreich und nicht nur von Satzhack getragen, da findet sich mehr als ein Satz, der sich über mehrere Zeilen zieht und auch sonst ist die Sprache angemessen und erfreulich anspruchsvoll (schon der „Name“ „Tyflopontikas“ spricht Bände … sollte 12- bis 17-Jährigen aber zuzumuten sein). Das passt gut zu den nicht immer ganz einfachen technischen Zusammenhängen. Ebenfalls gut gelungen ist das „Worldbuilding“, das neben der viktorianischen Zeit wunderbar auch die „Parallelwelt“ aufleben lässt. Das einigermaßen offene Ende lässt hoffen, dass der Autor Florance in weiteren Bänden erneut auf Reisen schickt, denn dieses Buch sollte für die Zielgruppe eine erfrischend anspruchsvolle und unterhaltsame Lektüre darstellen – für mich war es das.