Eine poetische Besonderheit

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lilibeth2311 Avatar

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Für mich persönlich kam nie Abtreibung in Frage. Nicht, weil ich etwas dagegen habe, ganz im Gegenteil. Ich finde diese Selbstbestimmung richtig und wichtig. Mir war aber seit jeher klar, dass ich Kinder haben möchte und hätte es auch in jeglicher Situation bekommen. Irgendwie hätte man das Kind schon geschaukelt – im wahrsten Sinne des Wortes.
Vielleicht gerade weil das Thema von meiner Lebensrealität weit entfernt ist, interessiert es mich. Deswegen habe ich auch sofort bei Beltz & Gelberg nachgefragt, ob sie mir „Frag mich, wie es für mich war“ als Rezensionsexemplar schicken könnten. Sie haben es getan und ich freute mich wirklich sehr darüber. Ich habe es mit nach Kenia genommen und mir damit am Strand die Zeit vertrieben.

Die fünfzehnjährige Addie ist erst seit kurzem mit Nick zusammen, als sie von ihm schwanger wird. Sie trifft die Entscheidung, die Schwangerschaft abzubrechen und muss nun mit den Konsequenzen leben, die sich auf alle Bereiche erstrecken: Beziehung, Familie, Schule.
Vor allem um diese Veränderungen geht es in dem 230 Seiten langen Buch.

Sobald man das Buch aufschlägt, fällt die gedichtartige Form der Texte auf. Jedes – nennen wir es ruhig Gedicht – erhält eine eigenständige Überschrift, die mal eine echte Überschrift und mal im Prinzip die erste Zeile des Inhalts ist. Die Länge variiert von zwei Zeilen bis zu anderthalb Seiten.
Vor allem da jedes Gedicht eine neue Seite bekommt, egal wie lang es ist, wird das Buch aufgebläht. Durch die Versform zusätzlich eh. Man kann sich daran stören oder sich an dieser Besonderheit erfreuen. Ich finde solche Formatierungen erfrischend und gerade bei diesem Buch hatte es noch einen bestimmten Zweck, der sich im Laufe des Buches klärt.

Der Inhalt unterwirft sich der Form.
Das fällt vor allem an den fehlenden Beschreibungen auf. Vereinzelt werden schon Augen- oder Haarfarben erwähnt, generell spielt Optik aber keiner Rolle in dem Buch. Weder von Personen noch von Räumlichkeiten oder Orten.
Es geht rein um Addies Erlebnisse, von denen sie in der Ich-Form berichtet und ihren Gedanken und Gefühlen. Den Hauptanteil haben dabei aber die Erlebnisse, denn ihre Abtreibung verändert ihr Empfinden und hat somit viel Einfluss auf ihr Leben.
An dieser Stelle konnte das Buch meine Erwartungen nicht erfüllen, denn ich hätte gedacht, Addie setzt sich weitreichender mit ihrer Abtreibung auseinander. Denkt darüber nach, spricht mit dem Leser darüber. Aber das passiert nicht. Ihre Gefühle dazu muss man häufig eher zwischen den Zeilen suchen.
Damit konnte mich das Buch dann auch leider nicht so berühren, wie ich es gehofft hatte.

Es war interessant, Addie dabei zuzusehen, wie sie sich verändert. Wie sie plötzlich Wünsche und Gedanken hat, die sie von sich selber nicht erwartet hätte. Doch von Spannung kann ich dabei nicht reden. Weil sich die Frage, wohin sie sich wohl entwickeln wird, nicht ernsthaft drängend war.

„Frag mich, wie es für mich war“ ist allein schon aufgrund seiner poetischen Form etwas Besonderes. Mit dem Abtreibungsthema greift Christine Heppermann ein wichtiges auf und hat mit Addie eine Figur erschaffen, die man gern begleitet, da sie sehr sympathisch ist.
Dennoch gibt es einige negative Punkte. Zum einen ist das Buch aufgrund seiner Form wahnsinnig kurz. Mit 230 Seiten ist es von vornherein nicht lang, aber die einzelnen Zeilen nehmen nie die volle Breite der Seite ein und manche Gedichte bestehen nur aus zwei Zeilen, die allein auf einer Seite stehen. Zusätzlich fehlen (mir) die Beschreibungen der Optik schon ein wenig. Schade war auch, dass das Thema Abtreibung nur ein Auslöser war, aber nicht ernsthaft im Fokus stand und letztendlich auch die „Spannung“ (im Sinne eines Weiterlese-Drangs) fehlte.
In dieser Kombination ergibt das für mich 3,5 Sterne.