Lauf, Addie, lauf!

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skaramel Avatar

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Wir alle erinnern uns an unsere Jugendzeit – frei, unbeschwert, nichts konnte uns aufhalten. Was sollte schon passieren? Zwischen Partys, Schule und Freizeit hat so mancher Grenzen überschritten, den jugendlichen Leichtsinn im Hinterkopf und den Gedanken von „Wird schon schief gehen.“ Ging es meistens auch – im Falle von Addie aber nicht. Sie ist schwanger, von ihrem Freund – dabei war es nur ein unbedachter Moment. Doch jetzt gilt die Entscheidung – Abtreibung oder nicht, statt Wettkampf oder Lernen?
Die unbequeme Frage nach der Abtreibung, das große Tabuthema, all das thematisiert Christine Heppermann in „Frag mich, wie es für mich war“. Addie entscheidet sich für die Abtreibung, mit Rückenstärkung ihres Freundes und ihrer Eltern. Auch wenn der Abbruch relativ unkompliziert von statten geht, bemerkt Addie immer mehr Veränderungen. Emotionaler Rückzug, Lustlosigkeit, ein Lügennütz um ihre Freunde. Nicht nur, dass Heppermann sich einem schwieirigen Thema gewidmet hat, sie hat auch Addie eine eigene Stimme gegeben. Die Kapitel sind ein wilder Mix aus Gedichten, kurzen Tagebucheinträgen, sehr prosalastig. Doch nach den ersten Kapiteln ist man schnell in einem Lesefluss und kann das Buch an einem Abend lesen. Denn ein Ablegen, kurzes Absetzen ist fast gar nicht möglich. Zu sehr saugt man Addies Geschichte auf, ihre Gedichte und ihre Notizen.
Mit wirklich wenigen Worten füllt Heppermann jedoch Seiten, spickt sie mit Gefühlen. Nicht alles muss ausgesprochen werden. Addies Lustlosigkeit spiegelt sich in ihren unzählig durchgestrichenen, immer wieder verkehrenden Aufsätzen wieder. Des Weiteren ist Addies Zwiespalt mit der Religion interessant. Geht sie auf eine mit Nonnen geführte Schule, führt sie ihre eigenen Zwiegespräche mit Maria. Zieht Vergleiche, stellt Fragen und bringt in ein Jugendbuch noch ein Thema, das nicht unbedingt gewöhnlich ist und in der Kombination für einige Diskussionen sorgt.
Trotzdem fehlt dem Buch eine kleine Prise – wovon? Tiefe. Nicht, weil die Kapitel kurz sind, nicht weil es Gedichte sind, nicht weil es anders ist – all das, macht das Buch aus. Jedoch gibt Heppermann viel Raum für Interpretation, viel Platz für Spekulationen – an manchen Stellen wünschte man sich jedoch eher einen Punkt statt ein Fragezeichen, auch wenn offene Enden ihre Daseinsberechtigung haben.

Nichtsdestotrotz ist „Frag mich, wie es für mich war“ lesenswert, weil es eben anders ist. Kein typisches Jugendbuch, sondern eine Geschichte, die sich den unbequemen Themen stellt und sich klar abhebt.