Worüber man nicht spricht

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Erwachsen werden, die erste Liebe erleben… all das kann schon mit genug Problemen verbunden sein. Für die 15-jährige Protagonistin Addie aus Christine Heppermanns Buch Frag mich, wie es für mich war endet es damit jedoch nicht, sondern etwas ganz anderes droht ihre Welt zum Einsturz zu bringen: Sie wird ungewollt schwanger. Der Weg zu ihrer Entscheidung, wie sie hiermit umgehen will, und wie es nach dieser Entscheidung für sie weitergeht, erzählt Heppermann auf 229 Seiten in Versform – teils tragisch-komisch, teils ernst-hoffnungsvoll.

Als Leser begleitet man Addie durch die Monate April bis Oktober und erlebt mit ihr zuerst, wie es zu ihrer Schwangerschaft kommt. Trotz allem hoffen und beten setzt ihre Monatsblutung nicht ein: Addie ist schwanger. Viele Möglichkeiten bleiben ihr nicht, und Addie entschließt sich zu einer Abtreibung, wobei sie Unterstützung sowohl durch ihre Eltern als auch ihren Freund erfährt.

"Heute

würde ich alles
geben für
Blut
auf dieser knochenweißen Binde." | Seite 44

Heppermann legt den Fokus dabei jedoch mehr auf das danach und wie der Eingriff Einfluss auf Addies Leben in den folgenden Monaten nimmt. Soll sie sich schuldig fühlen? Ist es in Ordnung, in manchen Dingen nun weniger Sinn zu sehen bzw. ihre Interessen zu verändern? Gibt es Menschen, mit denen sie darüber reden kann ohne gleich verurteilt zu werden? Wem ist sie was schuldig? Etwas überreizt wird ihr innerer Konflikt, indem Addie auf eine katholische Mädchenschule geht, in der das Thema Abtreibung sehr einseitig im Unterricht behandelt wird, und Addie neben ihren normalen Gedanken immer wieder kleinere Aufsätze an die Gottesmutter schreibt, wo sie unter anderem genau dies bemängelt.

VERSFORM ≠ GEDICHTE
Diese kleinen Aufsätze und ein Handlungsstrang gegen Ende haben sich mir etwas entzogen, wobei ich im ganzen die Annäherung durch Versform an das Thema ungewollte Schwangerschaft und Abtreibung gerade für eine jugendliche Zielgruppe sehr gelungen fand. Heppermanns Verse, die sich größtenteils wie Gedankenfetzen von Addie lesen, sind kurz und lesen sich rasch. Gerade für Jugendliche, die sonst nicht so viel lesen, dürfte das sehr angenehm sein. Manche Abschnitte ziehen sich über zwei Seiten, manche sind nur wenige Sätze stark, unterschiedliche Schriftarten, -größen und Absätze werden benutzt. Es ist kein alltägliches Format, aber für solch ein nicht alltägliches Thema perfekt geeignet!

WORÜBER MAN NICHT SPRICHT
Heppermann gelingt es gut, einen Eindruck davon zu vermitteln, was in Addie in den Monaten vorgeht, in die man sie als Leser begleitet. Klar spielen dabei ihr schulischer Hintergrund und Wohnort in Amerika eine Rolle, aber die Geschichte lässt sich gut auf andere Orte und Gegebenheiten übertragen. An manchen Stellen hätte ich mir allerdings gewünscht, dass Heppermann etwas mehr in Addies Gedankenwelt abtaucht oder uns an bestimmten Gesprächen mehr teilhaben lässt. Auch ein Hinweis auf mögliche Beratungsangebote oder ähnliches für Jugendliche in der gleichen Situation wie Addie hätte ich gut gefunden. So oder so ist es großartiges, dass dieses Buch etwas thematisiert, dass viel zu gerne immer noch von der Gesellschaft totgeschwiegen wird und etwas ist, worüber man nicht oder kaum spricht.

„Du bist kein Roboter, Addie. Du musst nicht laufen,
sobald sie dich einschalten.“ | Seite 148