Eigenwillige Sprache, nicht authentische Hauptfigur

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angie99 Avatar

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Frank ist vierzehn – das heißt, „noch nicht ganz. Wegen dem knappen Monat, der fehlt, glaube ich, kann ich doch sagen, ich bin vierzehn“ (S. 9) – und wohnt mit seiner Mutter in Wien. Das Leben hat sie zusammengeschweißt, sie sind ein eingespieltes Team.

Doch nun wird Franks Opa aus dem Gefängnis entlassen. Nach 18 Jahren. „Er streckte die Beine von sich und lehnte sich zurück. Er genießt jetzt die Freiheit, dachte ich und überlegte, ob ich nun fragen sollte, warum er so lang im Gefängnis gewesen war. Irgendwann würde ich ihn fragen, warum also nicht gleich. Da sagte er: ‚Und frag mich nicht, warum ich gesessen habe.‘ ‚Tu ich eh nicht‘, sage ich. ‚Und gleich auch nicht, wie es dort war.‘ ‚Tu ich eh nicht‘, sagte ich. ‚Und was fragst du sonst noch?‘ ‚Gar nichts.‘ ‚Kannst du Schach?‘ ‚Eher nicht.‘ ‚Man kann es oder man kann es nicht. Eher nicht kann man es nicht. Also was!‘ ‚Nicht‘, sagte ich.“ (S. 13)

Wie wird sich diese Großvater-Enkel-Beziehung entwickeln? Werden sich die Beiden annähern, obwohl sie sich so völlig fremd sind? Kann Opa die fehlende Vaterfigur ersetzen? Diese Fragestellung trägt den Roman, der chronologisch von Frank in der 1. Person erzählt wird.

Doch er wirft selbstverständlich noch weitere Fragen auf. Fragen zu Strafvollzug und Wiedereingliederung etwa. Zu Schuld. Zu Geständnissen: „Hast du jemals etwas getan, weil du einen Grund dafür gehabt hast? Nicht nur etwas Schlechtes, auch etwas Gutes. War es nicht immer so, wenn du genau nachdenkst, dass du etwas getan hast, und hinterher hast du dir ausgedacht, warum du es getan hast?“ (S. 86)

Köhlmeiers Text glänzt mit solchen Hintergründigkeiten sowie mit Wortwitz, gegen den Strich gebürsteten Dialogen und einer eigensinnigen Erzählweise, die irgendwo zwischen naiv und altklug daherkommt. Aus sprachlicher Sicht war es mir ein Vergnügen, dieses Buch zu lesen.

Inhaltlich hinterlässt dieser Roman jedoch einige Fragezeichen. Schon das Cover – so ansprechend es auch aussieht – beschreibt eine Szenerie, die im Buch so nicht auftaucht und die Erwartungen in eine falsche Richtung lenkt. Unvorhersehbar ist die Story zwar und damit auch relativ spannend – aber leider in ihrer Entwicklung nicht gänzlich nachvollziehbar. Stattdessen driftet sie je länger desto mehr ins Abstruse ab.
So wirkt das Ende leider verwirrend und unfertig, und das, obwohl die letzte Szene eigentlich Potenzial gehabt hätte, einen bleibenden, aufwühlenden Eindruck zu hinterlassen.

Was mich jedoch an „Frankie“ absolut gestört hat, ist Frankie selbst. Dass seine Denk- und Ausdrucksweise eher angestaubt daherkommt und nicht zu einem 14jährigen passen, hätte ich dem Autor noch verzeihen können, weil sie trotz dieses Mankos einfach Spaß machen. Doch seine Lebensgestaltung ist so was von neben der Zeit gezeichnet, dass es ins Lächerliche kippt. Handys sind vorhanden, Frank jedoch bedient Fernseher und Radio. Ok, es gab ja noch eine Zeit vor den Smartphones. Aber er recherchiert mit Wikipedia, ergo müsste wenigstens ein PC im Haus sein, den Frank jedoch nur für diesen Zweck zu nutzen scheint. Hallo? Ein Jugendlicher, der Internet hat und lieber im Fernsehen Tierdokus guckt? Der „im Netz“ nach einem Rezept für Kohlrabi sucht, sich jedoch kein einziges YouTube-Video anklickt. Hä??? Es tut mir leid, aber Frankie wirkt so, als würde Köhlmeier (Jahrgang 1949) über seine eigene Jugend berichten, der er einen pseudo-modernen Anstrich verpasst hat. Den Frank, den Köhlmeier beschreibt, ist ganz sicher kein Teenie des 21. Jahrhunderts.

Diese fehlende bzw. irregeleitete zeitliche Verortung nimmt ausgerechnet den zeitlosen Wahrheiten ihre Strahlkraft. „Verantwortung kommt vor der Schuld. Wenn jemand Verantwortung hat und ihr nicht nachkommt, kann das zu einer Schuld führen.“ (S. 115)