Der Welt entrückt

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Was für eine gute Idee zur Ferienzeit, ein Buch herauszubringen, dass große Reiseziele der Welt in ihren historischen Rahmen setzt. Als ich im vergangenen Jahr auf Rügen war, hatte ich "Elisabeth auf Rügen" von Elisabeth von Arnim im Gepäck. Ein unterhaltsames Buch, dass die Erlebnisse der Autorin während ihrer eigenen Sommeraufenthalte auf der Ostseeinsel Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in einem Roman bündelt. Was meine biographische Neugier entfachte. Um wie viel spannender erschienen mir die wahren Erlebnisse eine meiner Lieblingsautorinnen als die erdachten, die nur mit autobiographischen Details geschmückt waren. Diese "Neugier" bedient nun das Werk von Thomas Blubacher. "Frei und inspiriert" hat er eine kleine Geschichte der Reisekultur zu einigen Sehnsuchtszielen von einigen "Denkern, Dichtern, Künstlern und Aussteigern" zusammengestellt.

In der Leseprobe wurde "Ascona" ausgewählt (mir persönlich wäre Hiddensee lieber gewesen), das "Weltdorf und Eldorado für Glückssucher". Sachlich fundiert und dennoch flüssig lesbar schreibt Blubacher wie sich der Tourismus des einst nur 716 Seelen zählenden Ortes am Lago Maggiore entwickelt hat: "Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zog Ascona zivilisationsmüde Aussteiger an. Vegetarische Sexualasketen, nackte Sonnenanbeter, okkultistische Scharlatane und Edelanarchisten experimentierten mit alternativen Lebensentwürfen. Angelockt vom Geist der Utopie, kamen die exzentrischen Mitglieder der europäischen Boheme auf der Suche nach Inspiration und einem kultivierten »dolce far niente«, später fanden von den Nationalsozialisten aus Deutschland vertriebene Schriftsteller und Künstler hier ein billiges Exil."

Interessante Fakten, zeitgenössische Zitate und vor allem viele Originalfotografien (ein nackter Hermann Hesse, wenn auch nur von hinten, vor alpiner Kulisse) bieten ein abwechslungsreiches und unterhaltsam lehrreiches Lesevergnügen. Hier tummelt sich ein wahrer Fundus für geschichtsinteressierte und Boulevard nicht abgeneigten Lesern, die es gerne sachlich fundiert aber nicht staubtrocken mögen. Ich freue mich besonders auf das Kapitel über Hiddensee, wo ich auch etwas über Elizabeth von Arnim zu finden hoffe.