Der Welt entrückt

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Was für eine schöne Idee zur Ferienzeit, ein Buch herauszubringen, dass Reiseziele der Welt in ihren historischen Rahmen setzt. Beginnend mit Ascona, dem "Weltdorf und Eldorado für Glückssucher" führt die literarische Reise zum „Künstlerparadies„ Bali, zum Ostseebad Hiddensee, den mondänen Wintersportort St. Moritz, an den Attersee und auf die „Sonneninsel“ Capri. Faktenreich und interessant schildert Blubacher wie sich der Tourismus in den genannten Reisezielen entwickelt hat und was die Besonderheiten der Destinationen ausmacht. Das Augenmerk richtet sich dabei jedoch ausschließlich auf prominente Besucher und deren Bezug zu ihren Traumzielen, wie es der Titel "Frei und inspiriert - Sehnsuchtsorte der Dichter, Denker, Künstler und Aussteiger" nahelegt.

Als ich im vergangenen Jahr auf Rügen war, hatte ich "Elisabeth auf Rügen" von Elisabeth von Arnim im Gepäck. Eigene Erlebnisse der Autorin während ihrer Sommeraufenthalte auf der Ostseeinsel zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts sind hier auf unterhaltsame Art in einen Roman verwoben. Die spannende Frage welche wahren Erlebnisse dem Roman zugrunde lagen, habe ich seinerzeit durch die Lektüre einer Biografie der Autorin beantworten können. Diese "Neugier" bedient nun, sozusagen andersherum, das Werk von Thomas Blubacher. Hier finden sich zu jedem Reiseziel eine Fülle von Beispielen wie Künstler, Dichter oder Schriftsteller diese in ihren Werken verarbeitet haben. Wer Interesse hat, kann nachlesen.

So erfährt man zum Beispiel, dass Erich Kästner 1956 während seines Aufenthaltes in St. Moritz vorhatte einige Kapitel für sein Buch „Als ich ein kleiner Junge war“ zu schreiben. In einem Brief von damals wird er zitiert:“ Vor ein paar Tagen wurde ich mit dem 1. Kapitel fertig und las es noch am gleichen Nachmittag zu einer Weihnachtsfeier etwa fünfhundert Kindern vor.“ Oder das der Dramatiker Gerhard Hauptmann sein Prosawerk „Die Insel der großen Mutter“ wie er selber 1916 zugab „wohl nie geschrieben hätte“, wenn „ich nicht jahrelang auf Hiddensee die vielen schönen, oft ganz nackten Frauenkörper gesehen und das Treiben dort beobachtet hätte“.

Mein besonderes Interesse galt der Insel Hiddensee, die im oben erwähnten Roman „Elisabeth auf Rügen“ ebenfalls eine Rolle spielt. Leider fand Elisabeth von Arnim in diesem Kapitel keine Erwähnung, obwohl auch sie einst zu den prominenten Gästen der Insel gezählt hat. Davon abgesehen ist „Frei und inspiriert“ ein abwechslungsreiches und unterhaltsam lehrreiches Lesevergnügen. Interessante Fakten, zeitgenössische Zitate und viele Originaldokumente und Fotografien (u.a. die Rückenansicht eines nackten Hermann Hesse vor alpiner Kulisse) bieten einen wahren Fundus für geschichtsinteressierte und dem Boulevard nicht abgeneigte Leser.

„Dieses Buch will dazu einladen, sich auf die Spuren jener Künstler und Denker zu begeben und dem nachzuspüren, was sie vor Jahrzehnten fasziniert und inspiriert hat - aber auch dazu, selbst Atem zu schöpfen, sich freier zu fühlen und vielleicht den persönlichen Glücksort zu finden“ schreibt der Autor in seinem Vorwort. Die Absicht der Spurensuche ist gelungen. Das edle Ziel dem Leser zu helfen sich freier zu fühlen hingegen blieb, für mich, unerfüllt. Dazu ist das Buch zu sachlich, faktenorientiert und textlastig. „Atem schöpfen und sich frei fühlen“ kann man vielleicht beim dem einen oder anderen Werk das Blubacher zitiert, nicht aber bei seinem dichten Kompendium.