Lebensgefühl einer Generation?

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martinabade Avatar

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Zu Beginn des zweiten Teils von „Freizeit“ sagt die Lektorin zur Protagonistin des Buches, der jungen Autorin Franziska: „Die Charaktere wirken an der ein oder anderen Stelle noch etwas zu flach. Wie wäre es, wenn du die Anzahl der Figuren reduzierst?“ Und spätestens an dieser Stelle denkt sich das Publikum: Ja, ja, ja. Tu‘ das. Sofort.

Okay, vielleicht nicht jeder Leser oder jede Leserin. Mir ging es so. Vielleicht bin ich auch einfach zu alt für solche Geschichten, die in diesem sprachlichen Stil dargebracht werden, und auf für mich unerklärliche Art und Weise den Weg zwischen zwei Buchdeckel finden.

Das Setting ist schnell geschildert: Franziska hat Romanistik studiert. Die letzten zwei Jahre in Paris. Sie arbeitet relativ erfolgreich als Texterin, Werbung, Songtexte, Gebrauchsliteratur als Ghostwriterin. Nun arbeitet sie auch an ihrem ersten eigenen Buch. An diesem Roman im Roman lässt uns Carla Kaspari dann auch seitenweise teilhaben. Franzi ist gesund, sieht gut aus, ist gut vernetzt, privat und beruflich. Männer gibt es reichlich, mal für länger, mal ohne Telefonnummerntausch am anderen Morgen. Und natürlich ist jede Art von Technical Device stets präsent.
Als sie nach Deutschland zurückkehrt, nach einer mehr oder weniger ungerührt vollzogenen Trennung von ihrem Freund Cyril, versucht sie, an alte Gewohnheiten und Beziehungen anzuknüpfen, doch auch die Freund:innen von damals und sogar die eigene Familie haben sich verändert. Da könnte man nun sagen: Aha, eine zeitgemäße Form eines Coming-of-Age Themas. Der Klappentext kündigt an: ...“bis ein unabgeschlossenes Kapitel sie mit großer Wucht einholt.“ Was habe ich auf die Wucht gewartet. Wenn damit gemeint ist, dass die Protagonistin am Ende des Textes am Wasser steht und ein Schauerchen heult? Mir reicht das nicht.

Der ganze Text scheint ein unendlich unreflektierter Schreibdurchfall zu sein. Ein nicht enden wollender Schwall an Selbstreferenz und Weinerlichkeit. Nabelschau auf hip. Die literarischen Meister der Wiedergabe des scheinbar ungefilterten inneren Monologs kreiseln in ihren Gräbern. Und wieder ludert der Klappentext: „Franziska beobachtet die Ambivalenzen ihrer Gegenwart ungerührt und schreibt darüber aus sicherer Distanz in einem Romanmanuskript.“ Das ist NICHT „sichere Distanz“, das ist: Meine Figuren sind mir egal und ich habe gerade keinen anderen Stoff. Wenn es das nicht sein sollte – siehe erster Absatz.

Ich will's den kommenden Leser:innen nicht im Vorhinein vergällen. Aber: Ihr dürft dieses Buch nach 50 Seiten weglegen und mit Eurer FREIZEIT etwas anderes anfangen.