Emanzipation gleich Null

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hurmelchen Avatar

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„Freundin bleibst du immer“ von Tomi Obaro hat mich zuallererst interessiert, weil ich gelesen habe, dass dieser Roman in den USA das am meisten erwartete Debüt des Jahres 2022 sein soll.
Warum?
In den letzten Jahren sind einige wirklich bemerkenswerte Romane von Autoren, die ihre Wurzeln in Afrika haben, erschienen. Ich denke nur an Yaa Gyasis (Ghana) überwältigendes Debüt „Heimkehren“, oder an Dinaw Mengestus (Äthiopien) begeisternde Romane.
Gyasi und Mengestu schaffen es, dem Leser nicht nur die ethnischen Besonderheiten, die Geheimnisse und die politischen Wirren ihrer Heimatländer nahezubringen, sondern auch die seelischen Qualen ihrer jeweiligen Protagonisten, die meist im Ausland heimisch geworden sind.
Tomi Obaro scheinen diese Finessen wenig zu interessieren.
Zwar hat sie drei starke Hauptfiguren, Funmi, Enitan und Zeynap, aus denen sie nur bedauerlicherweise nichts macht.
Diese drei in Nigeria beheimateten, bzw. aufgewachsenen Frauen, die titelgebenden Freundinnen, lernen sich an der Universität kennen, werden durch verschiedene Lebensentscheidungen getrennt, und treffen sich Jahre später, bei der Hochzeit von Funmis Tochter Destiny (Achtung! Nomen est Omen) wieder.
Von Beginn meiner Lektüre an, hatte ich Schwierigkeiten, die drei Frauen auseinanderzuhalten, weil es die Autorin nicht schafft, ihnen, jenseits von Aussehen, Alleinstellungsmerkmale bzw. charakterliche Tiefe zu verleihen. Und genau darin liegt die enorme Schwäche des Buches.
Es tut zuweilen fast weh, lesen zu müssen, wie sehr die Frauen auf ihr Äußeres reduziert werden. Sogar untereinander gucken sie auf Unzulänglichkeiten, wie Pickel, zu dünn zu sein, oder zu dick, schön zu sein, oder unscheinbar. Man sucht die passende Kleidung aus, geht ins Nagelstudio, kocht und isst ununterbrochen, bereitet eine Hochzeit vor, und schwankt zwischen dubiosem Reichtum, einer zerbrochenen Ehe und einer durch Krankheit verursachten Familien- Tragödie.
Keine der Frauen ist auch nur im Ansatz emanzipiert. Alle Drei ergeben sich in ihr von Männern dominiertes Leben, in ihre traditionellen Rollen, was auf ganzer Linie langweilt.
Im Mittelteil des Buches, einer Rückblende zur Studienzeit der Frauen und deren Kennenlernen , werden ebenfalls primär gesellschaftliche Themen angerissen, die als typisch Frauen-affin gelten: Einen Partner/ Liebhaber finden, von den Eltern abhängig sein etc.
In der Rahmenhandlung, die 2015 in Lagos spielt, treffen die Freundinnen nach Jahrzehnten wieder aufeinander, aus Anlass von Destinys Hochzeit.
Sind das im Jahre 2022 wirklich die einzigen Themen in einem Roman über Frauen? Das Sich- Lösen aus der Familie, einen Partner zu finden und schließlich die eigenen Kinder zu verheiraten?
So gesehen hätte diese Buch überall spielen können und zu jeder Zeit.
Nichts weist je auf die politisch- gesellschaftlichen Zustände in Nigeria oder den USA hin, keine der Frauen hat einen ausgearbeiteten Charakter mit Ecken und Kanten, und wenn es denn eine Generationen- Geschichte sein soll, bleiben die Töchter von Enitan und Funmi leider noch blasser, als die Mütter.
Das Ende des Romans kann man nur als halbherzig und abrupt bezeichnen, auch wenn es zu einem Buch passt, das als netter Entwurf durchgegangen wäre, aber als vollwertiger Roman nicht funktioniert.
Vielleicht wäre der Verlag gut beraten gewesen, das Buch als Young Adult Novel zu deklarieren.
Interessanterweise hapert es schon an den Titeln. „Freundin bleibst du immer“ ist ein Rosamunde- Pilcher- artiger Schnulzentitel, während der Originaltitel , „Dele weds Destiny. A Novel“, ehrlich gesagt noch blöder ist. Das Brautpaar Dele und Destiny kommt so gut wie gar nicht vor, und dass Tomi Obaro den prätentiösen Zusatz „A Novel“ gewählt hat, lässt tief blicken. Vielleicht war sie sich selbst nicht sicher, was sie da publizieren wollte…
Zuletzt noch eine Anmerkung zur Übersetzung. Wann hat es bloß angefangen, einzelne Wörter oder Ausrufe im Original zu belassen? Den Sinn habe ich bis heute nicht verstanden. Authentizität? Bei Ausrufen? Bei „Bitte“, „Danke“, „Stimmt’s“ oder „Auweia“?
Ich wäre überaus dankbar, wenn man das sein lassen könnte!