Nachhilfe im Berühmtwerden durch Social Media

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liselottchen1 Avatar

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Als Lottes Buch »Das Tinder Prinzip« ein Flop wird, greift ihre Freundin Tessa ein: Sie verschafft Lotte eine komplett neue Identität als Influencerin, baut eine »adlige« Existenz auf und führt sie nach und nach in die High Society ein. Doch kann so ein Fake auf Dauer Erfolg haben? Und ist Lotte auch glücklich?

Um es vorwegzunehmen: Das Buch war leider überhaupt nicht meins. Der Untertitel »Wie ich zu einer Million Followern kam und dabei unendlichen Spaß hatte« passt meines Erachtens nicht, denn Lotte kommt zwar annähernd zu dieser Follower-Zahl, schleppt sich aber eher jammernd durch die Szenen.
Der Prolog zeigt eine heruntergekommene Lotte, die als Obdachlose ihr Leben fristet, mit dem ersten Kapitel beginnt die Story. Wie konnte es so weit kommen? Der Anfang war spannend. Ich konnte mich gut in die Protagonistin einfühlen, die mit viel Herzblut ein Buch geschrieben und sogar einen Verlag gefunden hat. Dummerweise kommt zur gleichen Zeit ein Werk mit ähnlichem Titel heraus und Lottes Buch verschwindet im nicht sichtbaren Bereich.
Doch leider verlor ich nach und nach den roten Faden. Die ständige jammernde und sich selbst bemitleidende Protagonistin, die zwar schon fast vierzig ist, aber sich benimmt wie ein trotziges Kleinkind, dem an den Lolli weggenommen hat, nervte zusehends. Ihre Freundinnen verdienen diese Bezeichnung kaum, lediglich Tessa steht zu ihr. Diese Beziehung blieb mir allerdings ein Rätsel, Tessa nennt Lotte »Ihr Lottchen«, die sie als bekennende Lesbe zwar »nicht heiß« aber als »etwas Besonderes« tituliert.
Tessa hat offenbar unheimlich viel Geld, stellt mit Sarah eine Frau an, die künftig Lottes Leben in den Social Media Kanälen aufbaut und aus ihr eine Person kreiert, die es nicht gibt. Es liest sich für mich, wie eine Gebrauchsanweisung, was man alles tun muss, wie sehr man sich verbiegen sollte, um sichtbar zu werden. Zweifelt Lotte anfangs noch daran, macht sie schon bald mit und genießt die steigende Popularität. Der Mittelteil zieht sich für mich wie Kaugummi, besteht aus reihenweisen Monologe von Lotte. Dialoge finden nur selten statt, sondern indirekte Reden verwendet, was die Story für mich zusätzlich langatmig machte. Obwohl Lotte alles tut, um dazuzugehören, sich und ihr Leben komplett umkrempeln und sich der »besseren« Gesellschaft anbiedert, lästert sie über genau diese Menschen. Das wiederholt sich oft und war für mich entsetzlich langweilig zu lesen. Diejenigen, die durch Instagram und Social Media eine zweifelhafte Berühmtheit aufgebaut haben, bekommen ihr Fett weg. Dabei lässt sie echte Namen von Stars einfließen, andere jedoch versieht sie mit Fantasienamen. Der kritisch bösartige Einblick in die Welt der Reichen und Schönen mag vielleicht viele ansprechen, mir bot er nichts Neues.
Erst im letzten Viertel gewinnt die Story an Tempo. Man hört vom Tod der Mutter und ein Kontakt zu einer Grundschulfreundin wird erwähnt. Offenbar leidet Lotte noch immer darunter. Das Ganze wird nur oberflächlich behandelt und konnte mich nicht tiefer berühren. Auch die Beziehung zum Vater blieb mir unklar, er kommt nur am Rande vor und spielt in Lottes Leben kaum eine Rolle.
Der Schluss hat mich reichlich ratlos zurückgelassen – wie jetzt? Ich dachte, es würde irgendwie wieder zum Prolog führen, was nicht der Fall ist. Unter dem Strich kann ich sagen, es soll eine Abrechnung mit den Influencer-Sternchen sein, leider konnte mich die Story einfach nicht abholen. Der Schreibstil ist gut lesbar, daher gebe ich 2.5 Sterne. Möglicherweise findet eine jüngere Leserschaft mehr Gefallen an dem Buch.