Über Verlust und Liebe

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Leise, und wunderschön, werden fünf prägende Tage im Mai im Leben von Illy Hofer, aufgewachsen in Kitzbühel, erzählt.
Zum ersten Mal begegnen wir der Protagonistin Illy im Mai 1986, bei ihrer Erstkommunion, im Schatten der Tschernobyl-Katastrophe. Und Illy vermisst in der Kirche ihren Tat’ka, ihren Uropa, der sie dann auch, als ihr schlecht wird und sie die Kirche noch vor der Kommunion verlässt, liebevoll betreut. Wir erfahren, dass Tat’ka als letzter Fassbinder arbeitet in der Werkstatt, die er sich bei Illys Elternhaus eingerichtet hat, ein Anhänger der KuK-Monarchie ist und sein Haus bei einem Kartenspiel vom Nachbarn gewonnen hat. Als Illy am Abend der Erstkommunion, dem Tag, als Tat’ka ihr auch zum ersten Mal ein Pocket Coffee zum Kosten gab (ein besonderes Erlebnis, da Illy bis dato den Geschmack des Erwachsenen-Getränks nicht kannte) mit ihrem Atlas Tat’ka in seiner Werkstatt besucht, finden sie im abgelegensten Winkel der Welt, bei der Inselgruppe Tristan da Cunha, den Namen des Schülers, der den Atlas offenbar vor Illy besessen hat, Tristan Unger. Illy fühlt sich diesem Tristan auf unerklärliche Weise verbunden, obwohl sie noch nie zuvor etwas von ihm gehört hat.
10 Jahre später, Illy ist inzwischen 17 Jahre alt, begegnen wir der Schülerin wieder, einen Tag vor Tat’kas 92. Geburtstag. Ausgehen mit Freundin Kicki ist angesagt, wobei die eigentlich nur ihren neuen Freund (Edi oder Axel? Er begegnet uns im weiteren Verlauf des Buches als Ediaxel) im Kopf hat. Als Ediaxel auftaucht, fährt er mit den Mädchen etwas außerhalb zu einer Disko, wo Freunde von ihm an diesem Abend aufgetreten sind. Doch als sie dort angekommen, ist niemand mehr da außer einem sehr verärgerten Türsteher, der gerade den Sänger der Band, der sich das Geld für ihren Auftritt gerade etwas unsanft selbst besorgt hat, verfolgt. Es kommt zu einer Schlägerei, der Sänger (und die Handkassa) landen bei Illy am Rücksitz. Sie ist unglaublich berührt, als sie feststellt, dass der charismatische, gar nicht ins Dorfgeschehen passende junge Mann neben ihr Tristan ist, DER Tristan Unger.
Als Illys Tat’ka bei den Feierlichkeiten zu seinem 92. Geburtstag am nächsten Tag eine kurze Unpässlichkeit erlebt, fährt Illys Vater am Heimweg mit ihm beim Krankenhaus vorbei. Illy ist erstaunt, Tristan dort als Zivildiener anzutreffen, und kommt mit ihm ins Gespräch.
Ende Mai 1998 treffen wir Illy wieder. Zwei Jahre lang trifft sie sich nun heimlich mit Tristan, die anfängliche Verliebtheit ist inzwischen abgeflaut, Illy will sich endlich mit Tristan aussprechen, einmal mit ihm alleine sein, reden. Doch wieder sind Ediaxel, Kicki und ein Bandmitglied namens Anton dabei, als sie an diesem Frühsommertag ein Lagerfeuer zu Ehren des ehemaligen Fußballtrainers der Jungs veranstalten. Illy hat alles so satt – die Sauferei, die Musik, und nützt die Gelegenheit einer Pause, als das Bier ausgeht und Anton, der als einziger noch halbwegs nüchtern scheint, mit Illy Nachschub holen sollte. Da Anton noch seiner Mutter Zigaretten bringen möchte, dauert das länger als geplant, und Illy und Anton werden bei ihrer Rückkehr von den anderen bezichtigt, sie hätten miteinander geschlafen in der Zeit. Tristan, der inzwischen schon vollkommen betrunken ist, Kicki und Ediaxel misshandeln Illy und Anton. Illy flieht und beschließt, dass sie jeden Kontakt zu Tristan abbrechen muss.
Drei Tage vor Tat’kas 100stem Geburtstag kehrt Illy vom Auslandsstudium in Marseille verfrüht zurück – eigentlich wäre sie erst am 18. Mai (2004) erwartet worden, doch eine unangenehme Begegnung in Marseille ließ sie früher zurückkehren. Illy besucht erst Tat’ka, und macht mit ihm einen Ausflug auf seiner alten Puch Maxi. In einem langen Gespräch das in just jenem Gasthof, vor dessen Tür Illy Tristan das erste Mal sah, geführt wird, erfahren wir aus Nebengedanken, was mit Tristan geschehen ist, als Illy den Kontakt abgebrochen hat, und hören, wie Tat’ka seine erste große Liebe, seine Ursel, auf tragische Weise verloren hat. Tat’ka bittet Illy noch zum Abschied, ihren Vater am nächsten Morgen zu ihm zu schicken.
An seinem 100sten Geburtstag wird Korbinian Hofer, wie Tat’ka im bürgerlichen Namen heißt, beerdigt. Er hat sich am Tag nach Illys letztem Besuch auf der Treppe in seinem Haus tödlich verletzt – ob mit Absicht oder nicht, das wird man nie erfahren. Beim Besuch am Friedhof findet Illy auch die Grabstätte von Tristan – und die lange gesuchte innere Ruhe.
Es sind nur fünf Tage, die wir die Protagonistin begleiten, doch aufgrund der unglaublich mitreißenden, lebendigen, warmherzigen Sprache, in der Elisabeth R. Hager von Abschied, Trauer, Wut und Liebe erzählt, hat man den Eindruck, die Protagonisten persönlich zu kennen. Wundervoll geschriebener Roman über das Leben und darüber, dass das Leben auch nach großen Verlusten weitergeht.