Abriss eines Lebens

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Iris wächst in prekären Verhältnissen auf, trotzdem versucht ihre Mutter Sonja alles, um ihr das bestmögliche Leben zu bieten, auch wenn sie dafür ihren Körper verkaufen muss. Darüber reden, tut sie nie - sie will ihre Tochter davor bewahren und wünscht ihr eine bessere Zukunft. Zweierlei hat Iris von Sonja gelernt: Durchhaltevermögen und Disziplin. Sie kämpft sich aufs Gymnasium, um später Jura zu studieren, während Sonja ihr jeden Wunsch erfüllt, auch wenn sie dafür kriminell werden und sich später lange Zeit prostituieren muss. Iris versucht das zu vergessen, doch gerade nachts verfolgt sie der Gedanke, dass ihr Mutter das alles nur für sie macht. Hinzukommt, dass ihr Vater aus der Türkei stammt und sich dafür sein ganzes Leben lang schämt. Er hatte große Pläne, wurde jedoch immer wieder von seiner Spielsucht und den festgeschriebenen Bahnen, in die er als Ausländer geleitet wurde, torpediert.
„Für euch“ von Iris Sayram ist eine Liebeserklärung, aber vor allem eine Entschuldigung an die Mutter, die sich aufgeopfert hat. Iris weiß, dass sie viel verlangt, kennt die finanzielle Situation früh, bekommt aber den Hals nicht voll. Sie hat gelernt, dass sie alles bekommt, was sie möchte und ist der Inbegriff einer verwöhnten Prinzessin, allerdings in einer finanziell armen Familie.
„Für euch“ lässt mich zwiegespalten zurück. Der Egoismus von Iris, der vor allem von der Mutter getragen wird, war manchmal schwer zu ertragen, da bringen auch die wiederholten Entschuldigungen nichts. Aber als Kind ordnet man gewisse Dinge anders ein und ob Sonja wirklich von diesem Lebensweg hätte abgebracht werden können, bezweifle ich. Dennoch schlug mein Gehirn immer wieder andere Möglichkeiten vor. Nicht zuletzt, weil meine Eltern vor fast 40 Jahren mit nichts hier ankamen und hart gearbeitet haben, um mir eine behütete Kindheit ermöglichen zu können.
Trotzdem finde ich dieses Buch wichtig, denn es zeigt eine Lebensrealität über die zu oft geschwiegen wird und dass man nicht zu vorschnell urteilen sollte.