Beeindruckender und berührender Roman über eine Kölner Familie

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monika85 Avatar

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Der Claassen Verlag hat "Für euch" veröffentlicht, den autobiografischen Roman der Journalistin und Juristin Iris Sayram, in dem diese schonungslos und offen auf ihre Kindheit und Jugend in Köln während der achtziger und neunziger Jahre zurückblickt. 
 
Die Ich-Erzählerin Iris lebt in Berlin und reist nach Köln, um ihre Mutter im Krankenhaus zu besuchen. Die 80jährige hat eine Lungenentzündung und braucht die Unterstützung der Tochter. Es fehlt ihr einiges von daheim: der goldfarbene Rollator, frische Unterwäsche, Hausschuhe, ein Spiegel und andere Dinge. Früher war es Iris immer sehr unangenehm, den Körper der Mutter zu sehen, und nun ist es ganz selbstverständlich für sie, ihr bei der Körperpflege behilflich zu sein.
 
Iris' Mutter Irmtraud wird 1939 geboren und wächst in ärmlichen Verhältnissen auf, der Vater verwehrt ihr eine Ausbildung zur Schneiderin. Bereits mit 18 Jahren wird sie verheiratet, zwei Ehen scheitern, zu den beiden Kindern hat sie bald keinen Kontakt mehr. In einem Café lernt die lebenslustige Frau Mustafa kennen, der aus Istanbul kommt und seit 5 Jahren in Köln lebt. Mustafa findet Irmtrauds Namen spießig und nennt sie nun Sonja. Die beiden werden ein Paar, ziehen zusammen und genießen das Leben. 1976 wird ihre Tochter Iris geboren. Der Vater nennt sie zärtlich Kizim, mein Mädchen. Er ist nicht glücklich mit seiner Arbeit an der Werkzeugausgabe von Ford. Viel lieber würde er sein Geld mit dem Zeichnen von politischen Karikaturen verdienen. Nach einem gemeinsamen Urlaub in der Türkei kündigt er seine Arbeit, verbringt nun viel Zeit in Spielclubs, und fortan ist Sonja für die Bestreitung des Lebensunterhaltes zuständig. Sie arbeitet als Putzfrau und Toilettenfrau, später auch als Prostituierte. Dennoch ist das Geld immer knapp.
 
Die Autorin lässt ihre Vergangenheit Revue passieren und stellt dabei überwiegend ihre Mutter und das Verhältnis zu ihr in den Vordergrund. Offen und ehrlich erzählt sie Sonjas Geschichte und verschweigt auch nicht ihre eigenen Schwierigkeiten, die Scham, die sie wegen der Tätigkeiten ihrer Mutter empfand. Selbstkritisch berichtet sie von verpassten Gelegenheiten, als es ihrem Vater schlecht ging und ihr andere Dinge wichtiger waren. 
 
Das Buch ist in klarer und flüssiger Sprache, aber auch mit Humor geschrieben. Die Autorin beschreibt ganz wunderbar ihre Mutter, die nie ihren Optimismus verliert und immer bemüht ist, die Tochter zu verwöhnen, ihr jeden Wunsch zu erfüllen und alle Freiheiten zu gewähren. Iris gelingt es trotz widriger Umstände, ihren eigenen Weg zielstrebig zu verfolgen und nach dem Abitur Jura zu studieren. 
 
Der Lokalkolorit hat mir sehr gut gefallen, da mir Köln und der Dialekt vertraut sind. Auch den Zeitgeist hat die Autorin ganz wunderbar in ihren Roman einfließen lassen.

Der Roman, den Iris Sayram voller Dankbarkeit und Liebe ihrer Mutter widmet, hat mich sehr berührt und wird mich noch lange beschäftigen.
Absolute Leseempfehlung von mir für dieses großartige Buch - 5 Sterne!