Schnörkellos ehrlich

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Schon der Anfang des Buches verspricht eine unverschnörkelte, direkte und ehrliche Geschichte. Man begleitet die Ich-Erzählerin Iris - das Alter Ego der Autorin selbst, die hier ihre autobiografische Geschichte verarbeitet - zu ihrer Mutter ins Krankenhaus. Iris pflegt ihre Mutter dabei ohne Zögern und bald ist man mittendrin in der Geschichte, die eigentlich eher das Nicht-Zögern der Mutter in allen Lebensbereichen offenbart.

"Für euch" ist der Titel und das Lebensmotto der Mutter der Ich-Erzählerin. Abseits der gesitteten und gesellschaftlich anerkannten Wege wächst Iris in einem Milieu auf, das für Kinder erst einmal nicht optimal klingt: Die Mutter arbeitet zeitweise als Prostituierte, die Eltern stehlen, wenn kein Geld mehr da ist, der Vater ist türkischer Gastarbeiter, der sich von einem Leben in Deutschland mehr erhofft hat. Der kleinen und später auch größeren Iris fehlt es jedoch an nichts, sie geht aufs Gymnasium, schafft ihr Abitur und schreibt sich für ein Jura-Studium ein.

Mit dem Wechsel aufs Gymnasium wird Iris mehr und mehr damit konfrontiert, dass ihr Elternhaus anders ist, als das der behüteten Gymnasiasten der 90er Jahre in Köln. Zusätzlich zu der pubertären Scham entwickelt sie auch das Gefühl, ihre Herkunft verheimlichen zu müssen, um dazuzugehören und nicht aufzufallen. Später hinterfragt sie diese Ansicht durchaus kritisch.

Das alles klingt vielleicht erst einmal nach keiner außergewöhnlichen oder besonderen Geschichte, warum sollte man dieses Buch lesen? Man sollte es lesen, weil am Ende viele in dieser Mutter die eigene Mutter wieder erkennen werden, weil sie erkennen, dass auch sie vieles für selbstverständlich genommen und nicht hinterfragt haben, dass auch sie die Aufopferungsbereitschaft der Eltern für gegeben akzeptierten, weil auch sie sich irgendwann fragen, ob sie es ihren Eltern eigentlich gedankt haben.

Dabei geht es nicht um den Dank am Ende eines Lebens oder darum, dass man seine Eltern am Ende pflegen sollte. Es geht in direkter, offener und ehrlicher Sprache um die Beziehung zwischen Eltern und Kindern, exemplarisch an diesem Beispiel gezeigt. Iris Sayram gelingt dabei ein authentisches Portrait ihrer Kindheit, das uns ohne große Aufregung und frei von künstlichen Elementen präsentiert wird. Es ist eine rundum gelungene Liebeserklärung an die selbstlose Mutter und insofern für jeden lesenswert.