Für Hier oder zum Mitnehmen?

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lunamonique Avatar

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Ein liebevolles Buch über das schrullige Berlin, ein kultiges Café und seinen Besitzer. "Die Torstraße ist eine dicke Vene auf der Hand der alten Diva Berlin, violett hervorstechend unter der schon gewordenen Haut der Hand, die schon so vieles getragen hat, deren Knöchel deutlich hervorstehen. In der Mitte der Vene, dort, wo man die Nadel für eine Infusion ansetzen würde, liegt der Rosenthaler Platz mit dem Café." Ansgar Oberholz ist der Betreiber des Ex-Aschinger, dem St. Oberholz. Das Café ist seine Leidenschaft. Er muss sich immer wieder den unmöglichsten Situationen stellen, seine Mitarbeiterin mit viel Feingefühl in die richtige Richtung weisen und sogar einen Multifluch, der auf dem Gebäude liegt, vertreiben. Skurril, unterhaltsam mit jede Menge witziger Ideen, die sich als wahre Begebenheiten entpuppen.

Ansgar Oberholz ist wirklich nicht zu beneiden. Man hat so ein bisschen das Gefühl, als gäbe ihm die Liebe zu Berlin, dem Rosenthaler Platz und seinem Café die Kraft, die Dinge, ohne einen Nervenzusammenbruch und die Einweisung in eine Klinik, zu überstehen. Mit jeder Seite entwickelt man mehr Sympathie für den oft leicht geschockten und überforderten Cafébesitzer. Die anfänglichen Schwierigkeiten des St. Oberholz können einen auch leicht aus der Bahn werfen. Es muss eine Personaldusche her, obwohl gar kein Platz dafür ist. Der Handwerker "Klamotte", der Mann fürs Wesentliche, bietet unkonventionelle Lösungen für das Problem an. So richtig schräge Typen gibt es viele in Berlin. Der spirituelle Koch verliert seine Mitte, sobald sich die Arbeit türmt und Stress ausbricht. Die spanische Putzfrau Dolores begegnet im Keller einem Geist. Die Kellnerin Milena übernimmt gerne das Ruder, lässt sich schwer in die Schranken weisen. Eine Affäre mit dem Chef bringt das Fass zum Überlaufen. Seit der Eröffnung seines Cafés lernt Ansgar Oberholz, seine Wut auszuleben. Ein neues Gefühl. Das St. Oberholz ist schließlich sein Café, und er will es dringend zurück. Teambesprechungen mit seinen Mitarbeitern sollen helfen. Regeln klar formulieren. Amüsant, wie sich Ansgar Oberholz sein Café und seine Chefrolle zurück erobert.

Das Buch ist mit viel Herz geschrieben. Es könnte ein fiktiver Roman sein, aber nein, diese vielen schrägen Vögel gibt es wirklich alle in echt und noch viele mehr. Besonders lustig auch, die Versuche, das Café zum Laufen zu bringen. Die Sinnsprüche mit den Tieren zum Beispiel, die Gäste anlocken, weil diese merkwürdigen Sprüche auf den Tafeln an der Hauswand eigentlich gar nicht zu einem Café passen. Berlin und das St. Oberholz hängen zusammen wie Bratwurst mit Senf, wie Pommes Schranke und Döner mit Zaziki. Man ist versucht bei der nächsten Reise nach Berlin dort Gast zu sein. Auch eine Art von Werbung.

"Für Hier oder zum Mitmehmen" ist eine ungewöhnliche, humorvolle Geschichte. Die richtigen Lacher kommen erst zum Schluss. Schön auch zu erfahren, was aus den schrägen Typen geworden ist. Immer wieder unterhaltsam, welche Lebenswege sich treffen, welche Schicksale in der Nähe lauern. Als Leser darf man auf einen zweiten Teil hoffen. Die Geschichten nehmen kein Ende. Hoffentlich ist Ansgar Oberholz nicht zu sehr eingespannt und kann sich einem zweiten Teil, wieder mit ganz viel Herz, widmen.

An den Blick durch eine rosarote Brille muss man denken, wenn man das Cover betrachtet. Rosarot ist alles rund ums Café. Das Café selbst ist auf dem Cover grau, zentral und das Gebäude ein bisschen übermächtig. Wie aus einer anderen Zeit mit seiner alten, ehrwürdigen Fassade. Ganz schön wagemutig, so etwas wieder zum Leben zu erwecken. Geschafft, kann man sagen. Es hat Ausstrahlung und Flair, genau wie das Buch. Und die Liebe kommt auch nicht zu kurz.