Blick hinter den Spiegel

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bobbi Avatar

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In Andreas Pflügers drittem Teil der Trilogie um die erblindete Elitepolizistin trifft Jenny Aaron auf eine ebenbürtige Gegnerin, die ihr sehr ähnelt - hochintelligent im Kämpfen und Denken und vom eigenen Vater als Kriegerin ausgebildet. Eigentlich steckt Aaron nach dem Tod einiger Kollegen noch in einer tiefen Krise und begibt sich zu einer Therapie, die ihr das Augenlicht wiederbringen soll - doch sie wird von ihrer "Abteilung", einer streng geheimen Sondereinheit, berufen. Auf die Abteilung gab es einen Anschlag - der eigentlich ihr gelten sollte - denn Malin giert nach Rache, nachdem sie erfuhr, wer ihren Vater vor vielen Jahren getötet hat. Und bei Malin stößt selbst eine knallharte Jenny Aaron an ihre Grenzen - Malin ist eine Frau, die den Blick hinter den Spiegel in das Auflösen des Selbst längst geschafft hat und die sich in der Dunkelheit genauso gut zurecht findet wie sie. Nebenbei und bis zum exzellenten Showdown in Barcelona spielen allerhand Verstrickungen rund um Politik, Geheimdienst bis in die Abteilung eine große Rolle, bei denen der Leser immer hochkonzentriert mitdenken sollte.

Action und Thrill aufs Papier zu bringen, ohne dass der Leser es schon mal ähnlich erlebt hat, ist schwierig - ich bin beeindruckt, welches hohe Niveau Andreas Pflüger sprachlich bis zum Ende durchhält. Es stimmt, dass er in seiner eigenen Liga schreibt - präzise, nüchtern und doch auch warm. Die Dialoge sind rau und hart, aber kein Wort zuviel oder schon mal gehört. Jenny Aaron ist zwar eine hochsensible und harte Kämpferin, aber ihre inneren Dämonen und Zweifel sind sehr realistisch beschrieben und diese andere Seite an ihr einfühlsam ohne je kitschig zu werden. Die Rückblenden in ihre Vergangenheit helfen dem Leser, der wie ich die zwei vorherigen Teile (leider) noch nicht gelesen hat. Hier hat mich besonders ihr langes Erlernen asiatischer Kampfsportarten und Meditation mit ihrem Meister beeindruckt.

Sehr gut recherchiert, eine ausgeklügelte Dramaturgie, ein spannender und temporeicher Plot bis zuletzt und diese Mischung aus Härte und Weiche - mich hat der Thriller fasziniert und die komplexe Figur Jenny Aaron lässt mich noch nicht los. Durch ihre Blindheit und die Konzentration auf andere Sinneswahrnehmungen, taucht der Leser tief in ihr Befinden und Wahrnehmen ein. Eine blinde Polizistin, die in der Dunkelheit noch gefährlicher wird, den Sehenden das Fürchten lehrt und dabei noch intelligente Lektüre liest. Passend zur Dunkelheit hat Suhrkamp den Thriller in schwarz umrandete Seiten gepackt - die kleben zwar etwas aneinander und die Finger werden schwarz - aber das erinnert nur daran, in welch kultivierter Krimi-Geschichte man gerade liest.