Ein würdiger Abschluss

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„Ich rufe jetzt die Polizei an“, flüstert er. Sie zieht ihn am Ärmel runter. „Es würde zu lange dauern bis die hier wären. Außerdem sind wir auf Rügen. Das sind Provinzpolizisten, die hätten keine Chance. Wir sind auf uns allein gestellt.“ Sie spürt Reimer wanken, mit dem ungewohnten Adrenalin kämpfen. „In der Therapie habe ich mich auf Gedeih und Verderben in ihre Hände begeben“, flüstert Aaron. „Das war ihre Show. Das hier ist meine. Ich bringe uns hier lebend raus. Aber nur, wenn Sie meine Entscheidungen nicht infrage stellen. Okay?“ Auszug Seite 171


Fünf Jahre ist es jetzt her, dass Jenny Aaron bei einem Einsatz in Barcelona durch einen Kopfschuss ihr Augenlicht verlor. In dieser Zeit hat sie gelernt, durch Schärfung der anderen Sinnesorgane bemerkenswerte Fähigkeiten zu entwickeln und ihre Blindheit dadurch zu kompensieren. Mit hartem Training und ihre durch Kampftechniken geschulte Körperbeherrschung hat sie es sogar geschafft, zu ihrem alten Team in der „Abteilung“, einer kleinen, international operierenden Spezialeinheit der Polizei zurückzukehren.


Wird Aaron wieder sehen können?

Jetzt hat sich die Möglichkeit zu einer außergewöhnlichen Therapie ergeben, die ihr im besten Fall die Sehkraft wieder zurückgeben könnte. Jennys stressiges Leben ist Gift für ihre Gesundung und so begibt sie sich erst mal zur Meditation in die Berge von Virginia zu ihrem spirituellen Lehrer der japanischen Kampfkünste und Verhaltensphilosophie. Die anschließende Therapie bei Professor Reimer auf Rügen bringt Jenny jedoch schnell an ihre Grenzen. Nicht nur, dass sie sich damit abfinden muss, dass sich mit zunehmendem Sehen ihre anderen geschärften Sinne wieder auf Normalmaß zurück entwickeln. Auch mit extremen Nebenwirkungen hat sie während der Behandlung zu kämpfen, denn ihre Wahrnehmungen spielen total verrückt.

Ausgerechnet jetzt wird sie von Kollege und Freund Ulf Pavlik und der Abteilung um Hilfe gerufen. Es besteht die Chance, den Mann im Hintergrund zu überführen, der für den Tod vieler Kollegen verantwortlich ist. Aaron ist unentschlossen, denn einerseits fühlt sie sich der Abteilung verpflichtet und die Kollegen sind wie ihre Familie, aber es würde auch das Aus für die schon oft verschobene Behandlung bedeuten. Diese wichtige Entscheidung muss gründlich überlegt sein und nimmt einen großen Teil der Handlung ein.

Der Autor nimmt sich viel Zeit für Erklärungen, es gibt viele Rückblenden in Jenny Aarons Kindheit und Jugend und auch das intensive Verhältnis zu ihrem Vater, dem Held der GSG 9 wird thematisiert und auch kritisch beurteilt. Dadurch scheint dieser dritte Band vielleicht nicht so vollgepackt mit Actionszenen, sondern ist geprägt von einer hohen Dichte an tiefgründigen Szenen und zieht die Spannung auch aus dem Bangen und Hoffen, ob Jenny wieder sehen wird. Jenny Aaron ist immer noch die intelligente, taffe Superheldin, aber „Geblendet“ hebt ihre verletzliche, zweifelnde Seite hervor, die sie mir nahbarer und sympathischer machte.


Schwester im Geiste

Zeitgleich taucht eine unbekannte Frau auf und trachtet Aaron und Pavlik nach dem Leben, da sie beiden die Schuld am Tod ihres Vaters gibt. Unsere blinde Superheldin Jenny Aaron trifft dabei auf eine Gegnerin, die ihr in Wahl und Anwendung der Waffen ebenbürtig ist. Und diese Malin ist ihr sehr ähnlich, sowohl im positiven wie auch im negativen Sinn. Beide wurden von ihren Vätern ausgebildet, beide wurden in asiatischer Kampfkunst unterwiesen und auch Malin war mal blind.

Eine eigene Liga

Auch im Finale glänzt Pflüger wieder mit seinem unvergleichlich kraftvollen Schreibstil, mit feinfühligen Worten, mal poetisch und schön, dann wieder schonungslos und mit trockenem Humor, aber immer auf hohem Niveau. In einem fein ausbalancierten Rhythmus treibt er den Leser in rasantem Tempo durch die bewundernswert choreografierten Actionszenen, um ihn dann wieder die Gelegenheit zu geben, auszuatmen. Besonders beeindruckt hat mich, um nur eine Szene zu nennen, die sekundengenaue, atemberaubende und physikalisch korrekte Schilderung einer Bombendetonation. Hier erkennt man die jahrelange Erfahrung als Drehbuchautor.

Auch die Darstellung von Aarons eingeschränkter Sichtweise ist immer wieder ein großartiger dramaturgischer Kniff, um Spannung zu erzeugen.

Der erste Teil „Endgültig“ war für mich als Thriller perfekt, der zweite Teil „Niemals“ eine gelungene, gute Fortsetzung und der dritte finale Teil „Geblendet“ ein würdiger Abschluss einer großartigen Thriller-Serie mit intelligent konstruiertem Plot, der mich wieder restlos begeistert hat. Die gesamte Trilogie wird getragen von Jenny Aarons Umgang mit ihrem Handicap und den teilweise von Pflüger erfundenen Weisheiten des Bushidos.

Das auffällig gestaltete neongelbe Cover mit der zusätzlichen Brailleschrift und dem schwarz eingefärbten Buchschnitt ist wieder ein absoluter Hingucker.

4,5