Packendes Finale

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linus63 Avatar

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Die letzte Woche vor Veröffentlichung von „Geblendet“ habe ich genutzt, um die ersten beiden Bände „Endgültig“ und „Niemals“ nochmals zu lesen, für mich auf jeden Fall die richtige Entscheidung - und ich würde jedem Leser raten, mit diesen beiden Bänden zu beginnen. Mit diesem Hintergrundwissen gelingt der Einstieg in „Geblendet“ besser, und man kann die komplexen Persönlichkeiten, aber auch die komplizierten Beziehungen, die sich im Verlauf der ersten Bände entwickelt haben, unter anderem auch zwischen den Leitern der unterschiedlichen Behörden (der Abteilung, dem Innenministerium und dem BKA) besser verstehen.

Man findet schnell in „Geblendet“ hinein, der Schreibstil ist eingängig und flüssig, sehr anschaulich und kompakt und man ist nahe am Geschehen. Ich habe dieses Buch sehr intensiv empfunden und es aufgrund der Fülle von Eindrücken langsamer als sonstige Lektüre gelesen. Vordergründig geht es natürlich um Jenny Aaron, die dieses Mal vor der schwierigen Entscheidung steht, von ihrem getriebenen Leben Abstand zu nehmen in der Hoffnung, ihre Sehkraft in einer Therapie wieder zu erlangen oder diese Möglichkeit aufs Spiel zusetzen und zu helfen, die Abteilung zu retten und zu rächen, die Ziel eines Anschlags war. Geschickt mit in die Handlung verwoben wird das Thema des Kindesmissbrauchs in dem Sinne, dass Kinder von ihren Eltern instrumentalisiert werden bzw. kompromisslos und manipulativ in eine bestimmte Richtung erzogen werden, die nicht ihrem eigentlichen Wesen entspricht.

„Geblendet“ hat mich ab der ersten Seite gepackt. Dramatisch und schlüssig, temporeich und absolut fesselnd, aber auch mit Allgemeinwissen durchsetzt und mit fernöstlichen Weisheiten gespickt, habe ich das Buch fast am Stück gelesen. Man muss sich natürlich darauf einlassen können, dass man sich mitten unter überragenden Elite-Polizisten befindet, von denen viele Situationen meistern, die für andere ausweglos sind. Die Handlung ist abwechslungsreich, es gibt einige unerwartete Wendungen. Andreas Pflüger gelingt das Kunststück, die Spannung zwar mit Schwankungen, aber dennoch durchgehend auf einem hohen Niveau zu halten. Dies bezieht sich nicht nur auf actionreichen Szenen, sondern auch auf ruhigere Passagen, häufig mit innerer Betrachtung, meist der Protagonistin. So werden die Figuren in diesem Band nochmals individueller und facettenreicher und gewinnen während der Handlung weiter an Tiefe. Insbesondere in der Auseinandersetzung mit der ihr unbekannten, aber ebenbürtigen Gegnerin, die Zweifel in Jenny Aaron aufsteigen lassen, ob sie für sich selbst den richtigen Weg beschreitet, zeigt sich eine bemerkenswerte Entwicklung ihrer Persönlichkeit und hat mir sehr gut gefallen. Herausragend und extra erwähnenswert finde ich die Darstellung der Stimmung innerhalb der Abteilung, sowie die permanenten, witzigen Wortplänkeleien der Kollegen untereinander trotz - oder wegen? - ihres sowieso schon sehr herausfordernden Berufs und ihrer diesmal zusätzlich persönlichen, dramatischen Lage. Diese lassen die Lektüre auch inmitten brenzliger Situationen unterhaltsam werden und nehmen mit Situationskomik hin und wieder der Dramatik ein wenig die Spitze. Das hochdramatische Ende ist gekonnt in Szene gesetzt und bildet einen Höhepunkt in einem Buch der Superlative - auch wenn es mich etwas überrascht hat, fand ich es zum Thema passend und gelungen.

Fazit:
Insgesamt ist „Geblendet“ ein packender und gelungener Abschluss dieser Trilogie, die mir sehr gut gefallen hat. Die Handlung ist ungewöhnlich, die Protagonisten sind einzigartig, dennoch ist das Gesamtpaket schlüssig und ansprechend. Herausragend sind die Schilderungen, wie sich Jenny Aaron als Blinde in ihren Situationen behauptet, hier wurde sehr gut und umfassend recherchiert, sowie die unterhaltsamen Wortplänkeleien und der charakteristische Schreibstil des Autors, der mich seit langem mal wieder durch ein Buch ohne Längen geführt hat.