Weil nicht sein kann, was nicht sein darf

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philipp.elph Avatar

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Nach einem großen, spektakulären Erfolg als als Ermittlerin von Cold Cases, gerät Gina Angelucci, Lebensgefährtin des Münchener Kommissars Tino Dühnfort, in eine schwierige Situation. Seit einigen Monate ist sie schwanger – die Hochzeit mit Tino ist in Planung – und sie bereitet sich auf einen stressfreien Job im Innendienst vor. Da erhält sie Besuch von Petra Weber, die vor zehn Jahren ihre Tochter verloren hat. Ihr Ex-Mann hatte die siebenjährige Marie zu einem gemeinsamen Wochenende abgeholt. Tage danach wurde er tot aufgefunden. Selbstmord ermittelte damals die Polizei. Die Tochter war und blieb verschwunden. Der Fall wurde als erweiterter Suizid betrachtet, die Akte bei der Polizei geschlossen. Die Mutter des Mädchen glaubt dagegen, dass ihre Tochter noch lebt. Sie ist überzeugt, ihr Ex-Mann hätte die Kleine damals anderen Leuten anvertraut. Seitdem sucht sie das Kind mit allen Mittel, geht dabei an ihre physische und psychische Grenze, treibt sich dabei wirtschaftlich fast in den Ruin. Nun, nach zehn Jahren setzt sie die Hoffnung auf Gina Angelucci.

Gina nimmt sich des Falles zunächst halbherzig an. Der Verstand sagt ihr, dass Marie wie ihr Vater tot ist. Sie will nur diesen anscheinend geklärten Fall zum Abschluss bringen, indem sie die Leiche der Tochter findet, damit auch die Mutter Ruhe geben kann. Doch dann gewinnt Ginas Bauchgefühl immer mehr die Oberhand über ihr Handeln, das sie in andere Richtungen ermitteln läßt.

Und das ist es, um was es bei diesem Roman hauptsächlich geht: Gefühle, und Befindlichkeiten. Hinter denen tritt der Kriminalfall über größere Strecken in den Hintergrund. Da ist einerseits Petra Werner, als Mutter quasi ein Opfer, das die Tochter verloren hat. Die von Gefühl und den Glauben getrieben wird, dass ihre Tochter lebt, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Die einen verbissenen Kampf führt gegen jeden, Polizei wie Freunde, der sich ihrer Version entgegenstellt oder sich aus Unverständnis von der kämpfenden Mutter abwendet.

Bei Gina ist es zunächst das Mitgefühl, das sie als werdende Mutter mit der auf der Suche nach ihrer Tochter verzweifelten Mutter hat. Dazu kommt der Ärger über die nachlässige Ermittlungsarbeit ihrer Kollegen, die damals den Fall bearbeitet haben. Ein Hauptthema ist jedoch die Befindlichkeit der schwangeren Kommissarin im Umgang mit Kollegen, Zeugen, Befragten, Verdächtigen und selbstverständlich ihrer Familie inklusive des zukünftigen Kindesvaters Tino. Zudem denkt sie über die aktuelle Flüchtlingssituation in Deutschland und speziell der Willkommenskultur nach.

Inge Löhnig hat einmal gesagt, dass es ihr in ihren Krimis darum gehe, warum ein Mord passiert, nicht so sehr darum, wer ihn verübt hat. Diesem Statement ist sie in den sieben Kriminalromane der Kommissar-Dühnfort-Serie treu geblieben. Mit Gedenke mein schwenkt sie von der bisherigen Hauptperson des Kommissar Dühnforts um auf dessen ehemalige direkte Arbeitskollegin und zukünftige Ehefrau Gina Angelucci. Und damit vollzieht sich auch ein Schwenk zu noch mehr Psyche, diesmal aber weniger auf die Psyche des Täters als vielmehr auf die der Kommissarin und eben auch auf die des (Mit-)Opfers. Während die Geschichte der Mutter des verschwundenen Kindes für die Story von großer Bedeutung ist, sehe ich die Beschreibung der Befindlichkeiten der schwangeren Kommissarin für zu ausführlich an. Nur wenn die Überlegungen Ginas von einer durch Schwangerschaft verstärken Empathie gegenüber Mutterglück und -leid zur Lösung des Falles vorangetrieben werden, sehe ich einen Sinn der von Gefühlen geprägten Passagen.

So kommt es, dass die Geschichte fast wie eine Homestory endet – aber das mögen vermutlich die Fans von Inge Löhnig und deren Paar Tino und Gina. Es sei ihnen gegönnt, den Leserinnen und Lesern, der Autorin sowie Gina und Tino – und wenn die Flitterwochen vorbei sind, die glücklichen Eltern ihren Sprössling im Arm halten, wird uns Inge Löhnig sicherlich erzählen, wie Gina Beruf, Familie und speziell ihre Mutterrolle vereinbaren kann.