Gesellschaftsspiele für jedermann und jeden Augenblick

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matze08645 Avatar

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Der Roman beschreibt das Leben des Berliner Malers Leo, der auf dem Weg zu großem Erfolg von der internationalen Kunstszene mit Haut und Haaren verspeist worden ist und nach einem schmerzhaften Verdauungsvorgang quasi als leere Hülle wieder ausgeschieden wurde. Sowohl seine Frau Rahel, als auch seine Ex-Freundin Ebba sind dabei auf der Strecke geblieben. Während Rahel hilflos das Scheitern ihrer Ehe beobachtet, zieht Ebba aus eigenem Antrieb Konsequenzen. Am wenigsten entwickelt sich Leo, was ein großes Manko des Romans darstellt, denn schließlich ist er die Hauptfigur. In belanglosen und viel zu beliebigen Szenen wird das Leben von Leo sowie das Verhältnis der beiden Frauen zu ihm beleuchtet. Wie so oft bei Künstlern sind dabei Berufs- und Privatleben untrennbar miteinander verbunden. Die Gefühlswelt der Personen wird dermaßen reduziert und oberflächlich dargestellt, dass die daraus resultierenden Handlungen oft unlogisch und unverständlich wirken. Besonders Leo ist sehr unsympathisch geraten. Man hat als Leser das Gefühl, als wenn die Figuren unablässig in ihrer Statik verharren würden. Der Roman wirkt auf mich insgesamt sehr unausgegoren. Anscheinend lag es in der Absicht der Autorin, zu zeigen, wie Menschen an dem Druck der kommerziell ausgerichteten Kunstwelt gefühlsmäßig zerbrechen. Dazu hätte sie aber deutlich machen müssen, dass Leo und auch Rahel früher ganz anders waren und inwiefern sie sich verändert haben. Das ist Louise Jacobs bedauerlicherweise nicht gelungen.

Im Übrigen wird erst ab der zweiten Hälfte des Romans das Geschehen einigermaßen erträglich. Das liegt hauptsächlich an der seltsam distanzierten Erzählweise der Autorin, aber auch die Handlung an sich vermochte mich vorher nicht zu fesseln. Ohne die zahlreichen - für die Geschichte absolut irrelevanten - Rückblenden in die nähere und entferntere Vergangenheit der drei Hauptfiguren, sowie die häufigen und ausschweifenden Beschreibungen von unwichtigen Details, hätte der Plot wohl nicht für einen ganzen Roman gereicht. Es passiert einfach nichts Spannendes, geschweige denn Interessantes. Das Fehlen einer wirklichen Handlung, gespickt mit ein paar leidlich bekannten Besonderheiten der internationalen Kunstszene, durchweg blutleeren Figuren und enorm vielen Klischees führen in diesem Fall zu einem dementsprechend faden Leseerlebnis.

Als wenn die Autorin dem Buch auch noch den letzten Rest an Unvorhergesehenem hätte nehmen wollen, wird der Leser gleich auf den ersten Seiten über Leos Ableben in Kenntnis gesetzt. Um das Ganze noch verwirrender zu machen, suggeriert zudem der auf dem Buchdeckel zu lesende erste Satz " Wer hat Leo Becker getötet? ", dass man es hier mit einer Art Krimi zu tun hat. Wer jetzt auf eine spannende Auflösung der näheren Hintergründe im Laufe der Geschichte hofft, muss sich auf eine herbe Enttäuschung gefasst machen. Bei einem Kriminalroman hätte diese Taktik bestimmt gut funktioniert, nur verfolgt die vorliegende Geschichte einen ganz anderen Ansatz, zu dem weder der Anfang noch das Ende passen. So warten die letzten Seiten mit einer Überraschung auf, jedoch nach meinem Dafürhalten nicht unbedingt im positiven Sinne.

Da Louise Jacobs erst sehr spät einen Anklang von wirklichem Gefühl in ihre Protagonisten investiert, blieb mir nicht mehr genug Zeit, um mit ihnen warm zu werden. Deshalb ließ mich ihr Schicksal auch völlig unbeteiligt und emotionslos zurück. Schade, aus der Thematik hätte sich sicherlich mehr machen lassen können. Der Roman bekommt nur deshalb von mir zwei Sterne anstelle von einem, da im letzten Drittel ein paar recht gelungene Gedankenspiele bezüglich der Kälte und Erbarmungslosigkeit in der Kunstszene angestellt werden, die gleichwohl auf unsere gesamte Gesellschaft anwendbar sind.