Ungelenker Trialog mit wenig Tiefgang

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waschbaerprinzessin Avatar

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Treffen sich ein philosophischer Geflüchteter, ein egozentrischer Kreuzfahrtpassagier und eine wütende Feministin auf dem Grund des Mittelmeers. Alle drei sind tot. Und während sie nun im Wasser verwesen, haben sie nichts mehr zu tun, als zu denken, sich zu unterhalten und unfreiwillig ihre plötzlich auftauchenden Erinnerungen miteinander zu teilen. Ab und zu schwimmen nackte Nereiden vorbei und lästern kichernd über die dummen Menschen, man hört Poseidon über die Menschheit schimpfen oder das Meer erbebt, weil die Lebenden wahrscheinlich mal wieder Atombomben testen oder zerstörerische Fischereimethoden praktizieren.

Root Leeb thematisiert in ihrem Roman „Gespräche auf dem Meeresgrund“ unter anderem Rassismus, Flucht, Sexismus, Kolonialismus und Umweltzerstörung. Leider bieten knapp 150 Seiten nicht genug Platz, um diesen wichtigen Themen die nötige Tiefe zu geben. Stattdessen werden sie von den drei Toten sehr plakativ und holzhammerig besprochen, sodass unterm Strich wenig mehr gesagt wird, als dass einige Menschen ihre Macht missbrauchen, um andere Menschen und die Natur auszubeuten, man sich aber auch in andere hineinversetzen und niemanden vorschnell verurteilen sollte. Ich hätte mir gewünscht, dass die Autorin in die Verhandlung derart komplexer und vielschichtiger Themen ebenso viele Nuancen eingebracht hätte wie in die Farbverläufe des wunderschönen Covers und der einzelne Buchseiten schmückenden Illustrationen.

Dabei hatte ihre Idee, drei so unterschiedliche Protagonist:innen, die aber dennoch auf gewissen Weise miteinander verknüpft sind, das gleiches Ende finden zu lassen und sie an einem Ort zusammenzubringen, an dem sie einander ohne Fluchtmöglichkeit ausgesetzt und gezwungen sind, das Leid der anderen ertragen, so viel Potenzial. Auch die Vorgeschichten aller drei Figuren sind hochinteressant, werden aber leider lediglich in einzelnen Erinnerungsfetzen kurz angerissen, sodass die drei klischeehafte Abziehbilder bleiben: Der auf der Flucht Ertrunkene, der den anderen das Totsein erklärt, zwischen ihnen schlichtet und ab und zu Weisheiten einwirft, der weiße Mann, der nur an sich selbst denkt und sich unausstehlich gibt und die Soziologin, die in jedem zweiten Satz „euch Männer“ und „uns Frauen“ einander gegenüberstellt.

Die Sprache der Protagonist:innen sowie der gelegentlich erscheinenden mythologischen Figuren wirkte auf mich oft ungelenk und aufgesetzt. Man merkt stets, dass es sich um Sätze handelt, die erfundenen Personen von einer Autorin in den Mund gelegt wurden. Da dieser kurze Roman hauptsächlich aus dem Trialog der Toten besteht, wurde ich somit nicht wirklich mit auf den Meeresgrund gezogen und konnte mich nicht in der Handlung treiben lassen, sondern war eher von der künstlichen, übererklärenden Sprechweise genervt, die wenig Raum für eigene Interpretationen und philosophische Spekulationen lässt.

„Gespräche auf dem Meeresgrund“ von Root Leeb ist zwar äußerst ansprechend gestaltet, hat für mich persönlich aber leider nicht genug Tiefgang, obwohl es auf dem Grund des Meeres spielt. Die Autorin hat das große Potenzial, das in der Anlage ihres Romans steckt, aus meiner Sicht leider bei Weitem nicht ausgeschöpft.