Oberflächliche und maskuline Vergangenheitsbewältigung

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krabbe077 Avatar

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Mit Gleißendes Licht legt Marc Sinan sein autobiographisches Romandebüt vor. Einen Namen machte sich dieser bislang nicht in der Literatur, sondern als Komponist und Gitarrist. Davon merkt man bei der Lektüre von Gleißendes Licht aber zunächst wenig, so überzeugt das Buch weitestgehend mit teils bildgewaltiger, teils poetischer Sprache.

Marc Sinan erzählt die Geschichte von Kaan, die zu großen Teilen auch seine eigene ist. Kaan ist der Sohn einer türkisch-armenischen Mutter und eines deutschen Vaters. Geboren 1976, wächst er, durch seine hingebungsvolle Mutter behütet und verwöhnt, in der Nähe von München auf. Über seinen Vater erfährt man in der Geschichte nicht mehr als seine deutsche Herkunft. Die Handlung springt zwischen mehreren Zeitebenen und Orten die von 1915 bis zur nahen Zukunft Ende 2023 und von New York bis Trabzon am Schwarzen Meer reichen. Kaans Jugend und Aufstieg zum erfolgreichen Gitarristen machen den Großteil der ersten Buchhälfte aus. Außerdem der Tod seiner Großmutter, der ihn gemeinsam mit seiner deutschen Freundin Zizi zum ersten Besuch in der Türkei seit längerer Zeit veranlasst. Die zweite Hälfte verlagert das Geschehen dann in Kaans Gegenwart. Dabei werden auch vermehrt Lebensabschnitte seiner Großeltern geschildert, hauptsächlich seines Großvaters Hüseyin. Zu Beginn des Romans empfand ich die Zeitsprünge als durchaus spannend und war überzeugt, deren Zweck werde sich im Laufe der Lektüre sicher erschließen. Dieses Gefühl ging mir in der zweiten Buchhälfte komplett verloren und schließlich wirkten sie eher lästig und die Handlung behindernd.

Die erwartete und erhoffte Aufarbeitung des Genozids an den Armeniern geschah in meiner Wahrnehmung leider nur sehr oberflächlich und am intensivsten in den Schlusskapiteln. Diese waren jedoch geprägt von einem von Rache vergifteten Gerechtigkeitsstreben des Protagonisten Kaan, der keinen Zweifel daran lässt, dass der Mord am türkischen Präsidenten der einzige Weg zur Aussöhnung sein kann. Es ist mir zu keinem Zeitpunkt der Geschichte gelungen einen Zugang zu Kaan zu finden. Schon der Umgang mit seiner Freundin Zizi in Queens hat in meinem Kopf Alarmglocken klingeln lassen. Mein Eindruck von einem weinerlichen, narzisstischen Arschloch wurde bei ihrer gemeinsamen Reise in die Türkei dramatisch bestätigt. Es mag Geschmackssache sein, aber für mich hat dieser Charaktertypus längst ausgedient und darf gerne im 19. und 20. Jahrhundert bleiben. Auch an Kaans Großvater Hüseyin wird in meinen Augen völlig unreflektiert ein derart rückwärtsgewandtes Männlichkeitsbild glorifiziert, dass mir das Lesevergnügen an manchen Stellen schlichtweg verging. Positiv haften bleibt dann lediglich die schöne Sprache. Vor allem das wiederkehrende Motiv des mit dem Horizont verschmelzenden Schwarzen Meeres hat mir sehr gut gefallen.