Vererbtes Trauma

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jr17 Avatar

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Kaan ist ein egoistischer Hauptcharakter. Er ist häufig damit beschäftigt, darüber nachzudenken, warum es ihm schlecht geht und warum er leiden muss. Und sein Umfeld arbeitet dagegen kaum an: Für seine türkischstämmige Mutter ist er ein Wunderkind, für seine Großeltern mütterlicherseits die gesamte Hoffnung der Familie. Die deutsche Familienseite seines Vaters scheint außer seiner blonden Haare kaum eine Rolle in seinem Leben zu spielen. Die türkisch-armenische Familiengeschichte ist omnipräsent während der Vater kaum häufiger als fünf Mal erwähnt wird.
Doch je länger der Roman dauert, desto klarer wird, warum: Der viel zu selten thematisierte Völkermord an den Armeniern wurde weder Familienintern noch national je aufgearbeitet. Das Trauma sitzt tief, viel zu viele Dinge wurden nie ausgesprochen. Und all das scheint sich in Kaan zu vereinen - die Hoffnung, das Trauma zu überwinden, die Hoffnung, die Schuld hinter sich zu lassen und nicht zuletzt die Hoffnung, eine Westernisierung könnte die Probleme lösen. Ohne Opfer zu idealisieren und Täter zu verteufeln schreibt Marc Sinan poetisch, ehrlich und unerbittlich.