Facetten eines Lebens - eine packende Spurensuche

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gudrun_4 Avatar

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Das Buch handelt von der Suche Astrids nach den Spuren ihres tot geglaubten Onkels, von Zufällen und Wundern, die sie zu Personen führen, die ihr etwas von Bruno erzählen können.
Den Rahmen bildet Astrids Ich-Erzählung, im Wechsel mit den Lebensgeschichten oder Tagebüchern von Freunden, Weggefährten, Verwandten.
Eine fast unerklärliche Besessenheit ( »Er und ich gehören irgendwie zusammen. Vielleicht, weil er vor seinem Vater geflohen ist, und ich vor meiner Mutter.«) führt dazu, dass Astrid kleinsten Hinweisen nachgeht und so Personen aufspürt, die irgendwie von Bruno wussten oder ihm begegnet waren, sie dazu bringt, aus ihrem Leben zu erzählen. Aus diesen Geschichten entnimmt sie die Mosaikteile um daraus Brunos Lebensweg zusammen zu setzen, die Facetten seiner Persönlichkeit sichtbar werden zu lassen. Die wechselnden Perspektiven erzeugen immer wieder Lücken und Fragen und halten die Spannung.
Gegen Ende verdichtet sich das Bild immer mehr und anfängliche Geheimnisse werden auf überraschende Weise gelüftet.
Durch die Erinnerungen der Zeitzeugen erfährt der Leser erschütternde historische Fakten über Stalins Straflager für Erwachsene und - kaum fassbar - auch über Arbeitskolonien für Kinder. Sehr eindringlich entstehen auch die Bilder von Bukarest, vom Leben unter der kommunistischen Diktatur. Man versteht, wie überlebenswichtig in allen noch so schrecklichen Umständen die persönlichen Beziehungen zu Vertrauten sind, wie die Verständigung untereinander über Musik, Bilder oder Gedichte kleine Inseln von Geborgenheit und "störrischem" Glück schaffen können. Trotz aller widriger Umstände.
Für mich war das Buch lesenswert und hat mich emotional sehr angesprochen. An einigen Stellen waren die literarischen oder musikalischen Bezüge nicht einfach zu verstehen, da fehlten einige Kenntnisse, doch ich konnte die Texte einfach so auf mich wirken lassen, denn Astrid Seebergers zugleich klare und poetische Sprach zog mich in ihren Bann. “Goodbye Bukarest” gehört zu den Büchern, die lange in Erinnerung bleiben werden.
Eine der schönsten Stellen: “War Bruno noch am Leben? Wenn ich mich recht erinnerte, war er zehn Jahre älter als Mutter. Er müsste demnach fast hundert Jahre alt sein. Oder er war gestorben. Und von ihm geblieben waren allein die Abdrücke, die er in anderen Menschen hinterlassen hatte, so wie in mir.”