Das irische Problem

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zoe2018 Avatar

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Belfast, 1985. An einem Strand bei Derry an der wilden Nordküste Irlands versuchen Waffenschmuggler aus den USA ihre Ware an Land zu bringen. Doch die Polizei ist bereits vor Ort. Unter ihnen Detective Inspector Sean Duffy von der Carrickfergus RUC.

Als Duffy zuhause ankommt, wartet schon der nächste Einsatz auf ihn: Ein Doppelmord in Whitehead. Das wohlhabende Ehepaar Kelly wurde brutal ermordet. Ein Auftragsmord? Oder hat Sohn Michael seine Eltern auf dem Gewissen?

Kurz darauf wird auch Michael tot aufgefunden. Angeblich Selbstmord. In einem Abschiedsbrief gesteht er, seine Eltern umgebracht zu haben. Aber stimmt das auch? Oder musste Michael sterben, weil er zu viel wusste? Handelt es sich gar um eine Verschwörung?

Duffy reist nach Oxford und stößt auf ein düsteres Geheimnis - und auf eine Mauer des Schweigens. Eine Frage der Ehre.

„Gun Street Girl“, ist bereits der vierte Fall für den katholischen Bullen. Der prüfende Blick unter seinen BMW gehört noch immer zu Sean Duffys Ritual. Dennoch handelt es sich um eine eigenständige, in sich abgeschlossene Geschichte, die ohne Vorkenntnisse lesbar ist.

Erneut gibt Adrian McKinty bedrückende Einblicke in den Irland-Konflikt und setzt seine Duffy-Reihe kongenial fort. Die Stimmung bei Polizei und Bevölkerung wird glänzend eingefangen, der zeitgeschichtliche Hintergrund meisterhaft erzählt und gut erklärt. Schön finde ich auch, dass es wieder einen Soundtrack zum Roman gibt.

Der Titel „Gun Street Girl“, eigentlich ein Song von Tom Waits, ist äußerst treffend gewählt, bezieht er sich doch auf ein Mädchen, aus der „Gun Street“ (Kapitel 13, Seite 168), das im Roman eine wichtige Rolle spielt. Die gesamte Tragweite erschließt sich dem Leser allerdings erst ganz am Ende.

Getragen wird die Geschichte von ihrem Protagonisten. Einerseits das Herz am richtigen Fleck, andererseits nicht vor Gewalt zurückschreckend. Dabei versinkt Duffy immer wieder in einer Welt aus Sex and Drugs and Rock 'n' Roll. Nichts für zartbesaitete Gemüter, nichtsdestotrotz humorvoll geschrieben.

„Hallo, Duffy, Sie sind ja früh da.“
„Wollte den Wurm fangen, Sir.“

Und die Moral von der Geschicht‘? Genau wie im wirklichen Leben wird gemauschelt und vertuscht, werden faule Kompromisse geschlossen und die Ermittler von ganz oben zurück gepfiffen oder kaltgestellt.

„Einen Ami verhaften? Wie komme ich nur darauf? Ich war doch nichts weiter als ein begriffsstutziger Bulle, der für immer mit einem niedrigen Rang auf einem mittelmäßigen Revier in einer abgelegenen Stadt hocken würde.“

Fazit: Perfekte Mischung aus Dichtung und Wahrheit. Packend, brachial und genial!