Ein Kind schlawinert sich durch den Sozialismus

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Christopher Wilsons „Guten Morgen, Genosse Elefant“ ist so ein Buch, das ich zuerst gar nicht spannend fand, bei dem der Klappentext aber so sehr an den „Hundertjährigen“ erinnerte, dass ich es an sich noch viel weniger mögen wollte.

Juri Zipit, als Kind vom Laster angefahren und entsprechend nicht die hellste Kerze auf der Torte, plaudert aus seinem Leben: Er ist 12 Jahre alt und lebt mit seinem Vater, einem Tierarzt im Zoo in Moskau. Dieser wird eines Tages zu einem Patienten gerufen, zu dem Juri ihn begleitet: Stalin … Warum nun ruft man einen Tierarzt zu Stalin? Weil der befürchtet, dass die Humanmediziner sich verschworen haben. Nun stehen also Juri und sein Vater im Jahre 1953 vor Stalin und sollen ihn kurieren. Der zwar nicht allzu helle Juri hat aber ein freundliches Wesen und offenbar auf der Stirn stehen „Erzähl mir dein Leben“ – so geht es letztlich auch bei Stalin: der ernennt Juri nämlich kurzerhand zu seinem Vorkoster und soll Stalin informieren, was seine Funktionäre so über ihn reden. Dass diese wiederum Juris Wesen ebenfalls erkennen und ausnutzen, ist klar … und so gerät Juri immer tiefer in die Ränkeschmiede um Stalins Nachfolge.

Unverkennbar lag ich mit dem Verdacht, dass das Buch an den „Hundertjährigen“ erinnert richtig: die Grundzüge sind schon sehr ähnlich. Ein geistig etwas unbeholfen wirkender, aber doch auch „bauernschlauer“ Protagonist schlawinert sich durch die Geschichte, die sich hier eben auf einen kurzen Zeitraum der Sowjetgeschiche beschränkt. Dies gelingt vor allem seines freundlichen Wesens und des ein oder anderen glücklichen Zufalls willen. Das Ganze verpackt in eine satirische Erzählweise, bei der einem bei genauerer Betrachtung das Lachen besser im Halse stecken bleiben sollte. Das ist alles nicht neu, aber irgendwie kam ich auch nicht umhin, Juri zu mögen. Die Idee, das Buch nicht zu mögen, weil es mich zu sehr an den „Hundertjährigen“ erinnern könnte, musste ich verwerfen – doch „hohe Literatur“ oder herausragende Originalität kann ich für mich dem Buch auch nicht aussprechen: nett zur Lektüre, dann aber auch schnell wieder aus dem Kopf.