Ein schwedisches Panoptikum

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„Der Mann, der kein Mörder war“ ist das deutsche Debüt des Autorenduos Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt, die beide in Schweden bereits Erfolge feiern konnten. Der Roman erschien bei Rowohlt Polaris als flexibles Softcover und ist der Beginn einer Reihe rund um die Fälle des Polizeipsychologen Sebastian Bergmann.

In Våsteras, in der Nähe von Stockholm, macht die Polizei auf der Suche nach dem verschwundenen Roger Eriksson einen grausamen Fund. Drei Pfadfinder entdecken beim Durchkämmen eines Waldgebiets die Leiche Rogers in einem Tümpel. Als grausige Dreingabe wurde diese mit zahlreichen Messerstichen traktiert und es fehlt dieser sogar noch das Herz. Diese verdächtig rituell erscheinende Ermordung Rogers lässt schon bald die Reichspolizei auf den Plan treten, die von der örtlichen Ermittlungschefin Kerstin Hanser dazugeholt wird, da diese erkennen muss, dass der Fall wahrscheinlich von größerer Tragweite ist, als es zunächst den Anschein hat. Schnell beginnt die Kommission der Reichspolizei mit ihrer Arbeit in der Provinz und ermittelt in alle Richtungen.

Zeitgleich weilt Sebastian Bergmann ebenfalls in Våsteras, um das Heim seiner Eltern zu veräußern. Sebastian ist ein getriebener Charakter, der die Leere, die in ihm nach dem Verlust seiner Frau und Tochter herrscht, mit zügellosem Sex zu betäuben versucht. Seit diesem schweren Verlust hat er von allem losgesagt, das ihn früher beschäftigte und er treibt antriebslos durch die Tage, nur mit dem Versuch beschäftigt, möglichst viele Frauen zu erobern. Durch einen Zufall wird er in die Ermittlungen rund um die Ermordung Rogers hineingezogen und bringt sich schon bald im Team rund um den erfahrenen Ermittler Torkel Höglund ein. Dies geschieht allerdings nicht aus Interesse am Fall des ermordeten Teenagers, sondern aus purem Eigennutz. Doch schon bald wird Sebastian für die Ermittlungen eminent wichtig, obwohl er ein zwischenmenschliches Ekel sondersgleichen ist.

Der Roman des Duos ist nahezu 600 Seiten stark und verlässt sich sehr auf die ambivalente Figur des Sebastian Bergmanns, der die Geschichte trägt. Manchmal ist der Leser von diesem Protagonisten nur noch abgestoßen und manchmal voller Verständnis für diese schwierige Persönlichkeit. Doch auch die anderen Personen, die den Krimi bevölkern sind wirklich realitätsnah, ohne in die typische skandinavische Depression und Melancholie abzugleiten. Überraschend ist es auch, dass der Plot über die Ermordung Roger Erikssons fast über die ganze Länge des Buches trägt, ohne dass ein obligatorischer Serienmörder auftreten muss. Hier sind Hjorth und Rosenfeldt wirklich zu loben, da es ihnen gelungen ist, zwar einen typischen Schwedenkrimi zu verfassen, der aber nicht in die üblichen Klischees und Untiefen abtaucht, sondern wohltuend „antidepressiv“ bleibt und sich sowohl auf Ermittlungen als auch auf Charaktere konzentriert. Neben dreidimensionalen Charakteren fließt auch moderne Technik ein und so dürften breite Leserschichten angesprochen werden.

Mit Vergleichen in Sachen Stieg Larsson ist man bei neuen skandinavischen Krimis natürlich schnell bei der Hand, aber beim vorliegenden Buch sind Lobeshymnen wahrlich angebracht, da der Fall wirklich fesseln kann und originelle Charaktere das Buch bevölkern. Ein dickes und interessantes Panoptkikum, dem schon bald neue Fälle des Sebastian Bergmann folgen dürften, die übrigens teilweise schon vom ZDF und vom schwedischen Fernsehen als Koproduktion verfilmt wurden!

Bücher sind wie Schiffe, die das Meer der Zeit durchsegeln (Francis Bacon)