Zu viel Pianist, zu wenig Persönlichkeit

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katicey Avatar

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Für „Hauskonzert“ begleitet der Journalist Florian Zinnecker den Pianisten Igor Levit durch die Konzertsaison 2019/20. Das Buch ist keine Biografie, sondern soll als Porträt vielmehr aufzeigen, was Igor Levit antreibt, woher seine Energie, Vehemenz und seine Ungeduld rühren und wo ihn sein zukünftiger Weg hinführt. Dementsprechend hatte ich wenig Abhandlungen über seine Musik und mehr tiefergehende Einblicke in die Persönlichkeit Levits erwartet.

Ich hatte bis zu diesem Buch noch nie von Igor Levit gehört, habe allerdings auch kein tiefergehendes Interesse an jedweder Form von klassischer Musik. Doch um das Porträt oder die Biographie eines Menschen zu lesen, muss man sich in der Regel nicht in dem Metier der porträtierten Person auskennen. Hier allerdings wird dem musikalischen Teil sehr viel Platz eingeräumt. Für mich als Laien ging es dabei häufig zu sehr ins Detail und ich fand diese Passagen entsprechend oft langatmig und anstrengend. Erschwerend kamen noch die vielen Zeit- und Themensprünge hinzu, die dem Lesefluss ebenfalls nicht zuträglich waren.

Interessant waren die Einblicke in den Werdegang und das Leben eines Pianisten. Man erahnt die körperlichen Anstrengungen, die damit einhergehen, man versteht, dass jede Note, jede Phrase verschieden interpretiert und gespielt werden kann und das zu Erfolg nicht nur Talent und Fleiß gehören, sondern auch etwas Glück und wohlwollende Fachjournalisten.

Igor Levit scheint Klavierstücke auf eine eher ungewöhnliche Weise zu interpretieren. Das stößt vor allem zu Beginn seines Schaffens nicht immer auf Wohlwollen – scheinbar nicht ohne Folgen für Levits Selbstbewusstsein. In mir ist das Bild eines ständig an sich und seiner Umwelt zweifelnden Mannes entstanden, der nur wenige Menschen an sich ranlässt und trotz seiner Erfolge unzufrieden und rastlos durch sein Leben zieht. Insgesamt scheint Igor Levit ein vielseitig interessiert Mensch zu sein, der sich allein mit seiner Musik als Lebensinhalt nicht zufriedengeben kann. Doch leider erfährt man nicht wirklich viel über die Person hinter dem Pianisten. Laut Klappentext erhebt Igor Levit seine Stimme für Demokratie und gegen Unrecht, Rassismus, Antisemitismus und generell Menschenhass. Diese Seite seiner Persönlichkeit wird allerdings nur angerissen und meines Erachtens stellenweise sogar stark auf seine jüdische Herkunft reduziert.

Das Buch verschenkt auch Potential, indem es Levit hauptsächlich aus der distanizierten, beobachtenden Position des Musikjournalisten Zinnackers charakterisiert, der sich auch gern mal in die Beschreibung der einzelnen Musikstücke verliert. Igor Levit und sein persönliches Umfeld hätten gern öfter selbst zu Wort kommen können.

Zusammenfassend muss ich sagen, dass ich mich mit dem Buch sehr schwergetan habe. Die Erwartungen, die der Klappentext geweckt hat, wurden kaum erfüllt, die dort aufgeworfenen Fragen nicht beantwortet. Ich kann aus dem Buch kaum etwas entnehmen, mir fehlt es schlicht an greifbaren Inhalt.