Diese Geschichte habe ich schon einmal so viel besser gelesen...

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lovely_lila Avatar

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*** Vorsicht! Achtung, enthält große Spoiler zu einer unerwarteten Wendung und zum Ausgang der Geschichte! *** Menschen, die nicht gespoilert werden möchten, empfehle ich, diese Rezension erst ab der Übersicht über die positiven und negativen Seiten zu lesen.


Inhalt

Axi hat es nicht leicht: Seit ihre Mutter nach dem Tod ihrer Schwester abgehauen ist, lebt sich mit ihren Vater zusammen, der Alkoholiker ist. Axi muss sich um alles kümmern und schafft es trotzdem eine vorbildliche Schülerin zu sein. Man hält sie für brav und berechenbar, umso überraschter ist ihr bester Freund Robinson, als sie ihm von ihrem Plan erzählt, einen Roadtrip durch die USA zu machen - und ihn mitzunehmen.



Meine Meinung

Auf dieses Buch wurde ich schnell aufmerksam. Die Leseprobe konnte mich begeistern und auch der Klappentext klang traumhaft. Unerwarteterweise handelt es sich hier um eine Mischung aus "Amy & Rogers Epic Detour" ("Amy on the Summer Road") und "The Fault in our Stars" - wenn man alles wegstreicht, was diese Bücher so einmalig und wundervoll macht.

Doch zuerst zum Schreibstil. Dieser ist einfach und schnell zu lesen wie bei den meisten Jugendbüchern, dennoch nichts, was herausstechen würde. Was fehlt, ist das gewisse Etwas. Die Sätze sind meist kurz, nicht poetisch. Auffallend war allerdings, dass sehr viele Sätze entweder mit " Ich..." "Er..." oder "Robinson" beginnen , wo man wohl auch etwas mal mehr alternieren hätte können. Auch wenn es sich hier um ein Tagebuch handelt, die Hauptperson ist ja sehr intelligent (wird auch dauernd betont) und benutzt ständig Fremdworte. Deshalb finde ich, dass dieser einfache Schreibstil nicht wirklich zu ihr passt. Dieser Schreibstil ist für mich Durchschnitt, aber auch nicht mehr. Komischerweise gab es vereinzelt Stellen, die im Vergleich zum Rest wirklich wunderschön waren.

"Ich ballte die Hände zu Fäusten und suchte den Himmel nach einer Sternschnuppe ab, um mir etwas zu wünschen. Doch inzwischen waren Wolken aufgezogen. Die einzig verbleibenden Lichter waren die der Glühwürmchen. Sie funkelten in der Dunkelheit: an und aus, an und aus." S. 284

In diesem Roman folgen wir Axi in der ersten Person auf ihrem Roadtrip mit Robinson, ihrem besten Freund, den sie aber heimlich zu "mehr" als ihrem besten Freund machen möchte. Während Axi in der Leseprobe noch interessant und lustig wirkte, so schien es mir, als würde sie im Laufe des Buches immer blasser werden. Man erfährt kaum etwas über sie als Person, ich hatte das Gefühl sie überhaupt nicht zu kennen. Deshalb habe ich wohl auch nicht so mit ihr mitgefühlt und -gefiebert wie es hätte sein können. Wie und wer sie ist, wurde so oft von Robinson erklärt, dass es nach einer Weile genervt hat. "Du bist so brav, du bist so klug, du liest so viel." Ich würde das gerne sehen und nicht dauernd gesagt bekommen. Und dieser Spitzname "BM" (Braves Mädchen) hat mich ebenso nach einer Weile genervt.

Robinson ist ein anderes Thema. Ihn fand ich eigentlich wirklich interessant, und dennoch ist er wenig greifbar. Ihn kenne ich auch nach all den Seiten nicht, aber immer noch besser als Axi (und das sollte nicht passieren, wenn sie die Protagonistin ist). Ich mochte ihn ganz gerne, aber er wird mir wohl nicht in Erinnerung bleiben. Manchmal fand ich seine Ideen übertrieben und unglaubwürdig. Sie stehlen diverse Fahrzeuge, werden aber nie erwischt. Bedrohen einen Polizisten mit seiner eigenen Waffe, kommen ungeschoren davon. Wie auch schon im Roman "Shadowlands", scheint das "Auge des Gesetzes" auch hier wieder dringend eine Brille zu benötigen. Hoffentlich denken jugendliche Leser jetzt nicht ernsthaft , dass es wirklich so "einfach" ist Autos zu stehlen und wollen es jetzt auch alle ausprobieren. ;)

Leider vermittelt die Leseprobe meiner Meinung einen falschen ersten Eindruck. Es war teilweise sehr subtiler und (für mich lustiger) Humor eingewebt, von dem ich natürlich auf mehr gehofft hatte. Leider wurde ich enttäuscht. Was humorvoll sein soll, wirkte auf mich meist gezwungen, und lachen konnte ich darüber eigentlich nie.

Die Liebesgeschichte in diesem Buch hat mich nicht wirklich berührt. Am Beginn war ich ja noch gespannt, aber auch das ließ leider nach. Nach einer Weile war es mir eigentlich ziemlich unwichtig, ob und wie die beiden zusammen kommen würden. Dabei gab es durchaus teilweise süße, "unkitschige" Szenen, doch insgesamt wurde ich einfach nicht richtig mitgerissen. Das alles hätte so viel besser sein können - und war es auch. In "The Fault in our Stars" zum Beispiel.

Besonders an diesem Buch sind die Bilder, die durchschnittlich ein bis zwei Mal pro Kapitel auftauchen. Das ist wahrscheinlich nichts für Menschen, die sich die Personen gerne selber vorstellen möchten (was dann nur noch schwer geht), aber mir hat es gefallen. Die Fotos wirken tatsächlich wie Schnappschüsse, sie sind nicht perfekt und wirken gerade deshalb wie eine "echte" Erinnerung von jemandem. Es war einmal etwas anderes und hat diesen "Tagebuch"- Charakter verstärkt, und so kam wenigstens ein bisschen Roadtrip-Feeling auf. Der Text schaffte dies oft leider nicht, die Beschreibungen waren nicht kraftvoll und intensiv genug, die Orte nicht fasziniernd genug dargestellt. Dieses Abenteurer-Gefühl im Herzen wollte sich einfach nicht einstellen.

Es ist natürlich kein Zufall, dass ich die Liebesgeschichte mit jener in "TFioS" vergleiche, denn auch in diesem Buch geht es unerwarterweise um das Thema Krebs. Am Beginn wird schon erklärt, dass es in Axis Familie diese Krankheit gab, doch auf einmal gibt es einen Bruch und man findet in ca. der Mitte des Buches heraus, dass die beiden sich auf der Krebsstation kennen gelernt haben und einer von beiden wieder Krebs hat. Ich konnte es wirklich nicht glauben. Manchmal lese ich gerne traurige Bücher, aber ich würde gerne selber entscheiden, wann. Ich mag es sehr gerne, wenn (wie bei "TFioS") im Klappentext steht, worauf ich mich einstellen kann, und ich mag es überhaupt nicht, wenn ich von solchen traurigen Themen überrascht werde. In diesem Buch wollte ich Amerika kennen lernen und ein Abenteuer erleben und nicht deprimiert und traurig sein. Sicher könnte man argumentieren, dass einen diese Krankheit auch im echten Leben unerwartet trifft und dass man keine Wahl hat, doch ein Buch lese ich doch genau deshalb, weil ich einmal eine Pause von genau dieser Welt möchte und in eine andere eintauchen. Wenn jemand einen Liebesroman lesen will und auf einmal werden da bis aufs grausigste Detail Leichen beschrieben (also etwas, gegen das sich manche bewusst entscheiden würden, wenn sie könnten), wäre diese Person sicher auch nicht begeistert. Genau so ging es mir mit diesem Buch.

Und traurig ist es wirklich. Es gibt keinen (wirkungsvollen) Humor, der all das auflockert, es gibt keine tröstlichen Gedanken und kaum Hoffnung. Während mich "TFioS" zwar traurig zurückgelassen hat, aber auch hoffnungsvoll und begeistert, war ich nach der Lektüre dieses Buches einfach nur deprimiert. "TFioS" lese ich immer wieder, weil mich das lesen von einzelnen Stellen nicht traurig macht, dieses Buch werde ich wohl nie wieder anrühren. Deprimierend hat es geendet. Dann war es vorbei und ich konnte schauen, wie ich mit diesem Gefühlen klar komme, denn so ein Ereignis kann mich einfach nicht kaltlassen, auch wenn mir die Personen nicht ans Herz gewachsen sind.


Mein Fazit

Kurzweilige Unterhaltung, die mir nicht in Erinnerung bleiben wird und mich ingesamt enttäuscht hat. Als hätte man "Amy und Roger's Epic Detour" und "The Fault in our Stars" in einen Topf geworfen und dann kräftig gemischt. Dem Ergebnis fehlt das, was jede dieser Geschichte so besonders macht. John Greens wundervoller einnehmender Schreibstil fehlt ebenso wie die liebenswerten Charaktere, der Humor, die Hoffnung und das gute Gefühl, das beide Bücher hinterlassen.

Dieses Buch würde ich nur Leuten empfehlen, die noch nicht viel zu diesem Thema gelesen haben. Jenen, die "Amy and Roger's Epic Detour" und vor allem "The Fault in our Stars" kennen und lieben, denen möchte ich gerne abraten. Ihr werdet vielleicht auch enttäuscht sein.


Übersicht:

positiv:
+ Bilder & dadurch Roadtrip-Feeling
+ süße Liebesgeschichte
+ vereinzelt wunderschöne Stellen

negativ:
- durchschnittlicher Schreibstil, viele kurze Sätze beginnen mit "Ich, Er, Robinson"
- blasse Figuren
- Distanz zu Figuren
- unerwartete Wendung & Thema, der Leser wird "zwangsbeglückt"
- teilweise unglaubwürdig

Bewertung:

Idee und Inhalt: 6 /10
Ausführung: 5 /10
Sprache: 5 /10
Personen: 6 /10
Protagonistin: 4 / 10

Zusatzkriterien bei diesem Buch:
Liebesgeschichte: 2 / 3
Anregung zum Nachdenken: 2 / 3

Insgesamt:

❀❀❀

Sehr knappe drei Lilien für eine Geschichte, die ich schon viel besser gelesen habe!


Ist dieses Buch Teil einer Reihe? – Nein.