Unerwartete Liebesgeschichte

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Der Beginn von "Heart.Beat.Love" ist die Vorstellung der Protagonistin Axi, eine 16-jährige Streberin, oder BM (für braves Mädchen), wie ihr bester Freund Robinson sie nennt, in den sie verliebt ist. Man bekommt eine Vorstellung von den beiden Hauptfiguren, deren Situation in ihrer öden Heimatstadt und hat Verständnis, dass sie da gerne ausbrechen würden. Trotzdem klingt die Idee, einfach abzuhauen und einen Trip quer durch die USA zu machen, relativ hirnrissig. Und das nicht nur für Axi, sondern vor allem auch für den Leser, der spätestens da annimmt, dass es sich hier um eine Teenie-Geschichte mit romantischen Ideen und wenig Inhalt handelt.
Auch die Sprache war zunächst noch sehr jugendhaft. Teilweise so sehr, dass es mich störte und ich mich fragte, wieso die Autoren auf Biegen und Brechen versuchten, ein junges Publikum mit dämlichen Formulierungen zu überzeugen, die es selbst nicht benutzen würde.
Aber glücklicherweise legt sich das zur Mitte des Buches, vielleicht gewöhnt man sich als Leser aber auch nur daran. Irgendwie scheint es aber mit der Zeit zu passen, die anfänglich etwas stockende Geschichte kommt mit dem Abhauen von Axi und Robinson in Gang und vermutlich kann sich der Leser besonders gut mit Axi identifizieren, die selbst kaum glauben kann, dass sie statt im Bus auf einer Harley sitzt. Ihre Bedenken und Gedanken nehmen der Geschichte etwas von dem unrealistischen Bild, das man im Kopf hat, wenn man sich zwei Minderjährige auf einer geklauten Harley sitzend vorstellt, die die Welt erkunden wollen. Unweigerlich erhält man Einblicke in Axis Gefühlswelt, aus deren Perspektive der Roman in der Ich-Form geschrieben ist. Sie gesteht sich selbst ein, dass sie in Robinson weit mehr sieht als nur den besten Freund und einmal gefangen in der Geschichte, fiebert man natürlich mit und will, dass sie sich traut, es ihm zu sagen. Unterwegs passieren unaufhörlich Dinge, die einem zum Weiterlesen animieren. Nicht nur die unterschiedlichen Orte, an denen sie überall etwas mitnehmen, seien es Souvenirs oder einfach nur besondere Momente und Erinnerungen, sondern auch die Abenteuer mit geklauten Autos und die Überraschungen, die Robinson für Axi bereithält, fesseln den Leser. Letztlich stellt sich immer mehr die Frage, wessen Reise dies nun eigentlich ist, schließlich war es zunächst Axis Idee, derer sich Robinson nur annahm. Schlussendlich ist es allerdings ihre gemeinsame Reise und zwar auch im sprichwörtlichen Sinne. Die beiden erleben nicht nur die verrücktesten Dinge, sondern kommen sich auch näher, vor allem lernen sie unterschiedliche Seiten an sich kennen. Axi legt mehr und mehr die Rolle des braven Mädchens ab und wächst über sich hinaus. Doch auch Robinson gibt vor allem zum Ende hin mehr und mehr von sich preis und zeigt sich von einer verletzlichen Seite.

Und ich glaube, dass die Verwandlung der Figuren durch die unterschiedlichen Situationen und die Authentizität das Geheimnis dieses Romans sind.
Irgendwann, schon lange nach der Mitte des Buches, schaut man auf und realisiert, dass man sich nicht gelangweilt hat. Dass die Geschichte, getragen von diesen wirklich interessanten Figuren, einen mitnahm und man die Zeit vergaß.
Weil die Handlungen und Reaktionen so echt und die Gefühle so ungekünstelt sind. Weil zwar verrückte Dinge passieren, aber Axi und Robinson so unverfälscht agieren und so ehrlich sind, dass man sich unweigerlich in diese beiden Figuren verliebt. Und damit haben die Autoren etwas ganz wunderbares geschaffen.

Dass Axi und Robinson vor allem in ihrer zarten Romanze so real und darum so zerbrechlich sind, macht vor allem das Ende zu etwas ganz Besonderem.
Denn die Geschichte nimmt eine Wendung, die ich so nicht erwartet hätte.

Es stellt sich heraus, dass nicht nur Axis kleinere Schwester an Krebs starb, was man mit der Zeit aus den Umständen schloss, sondern sich auch Axi und Robinson im Krankenhaus kennenlernten, als sie selbst noch Krebspatienten waren.

Man sieht das Geschehen, die Beweggründe dieser beiden jungen Menschen und die Gefühle füreinander plötzlich aus einem ganz anderen Blickwinkel.
Alle verrückten Situationen werden durch diese Tatsachen relativiert und durch Robinsons Rückfall während ihres Trips sogar noch zu gewissen Höhepunkten in ihrer beider Leben.

Hin- und Hergerissen zwischen Vernunft und der puren Lebenslust leidet man plötzlich mit Axi, die im permanenten Zwiespalt ob ihrer Sorge um Robinson ist.
Plötzlich fühlt es sich an, als ob man seine Weggefährten, mit denen man auf den letzten 100 Seiten durch die USA gereist ist, noch besser kennenlernen würde. Es wird so persönlich, dass der Schicksalsschlag einen persönlich trifft und man mitleidet. Jedes Gefühl, das vor allem Axi anschaulich beschreibt, wird plötzlich nachvollziehbar und fühlbar und am Ende bleibt einem nicht mehr als mit Axi zu weinen und gleichzeitig zu wissen, dass sie nicht nur den Trip ihres Lebens hatten, sondern ihre kurze Zeit gemeinsam auch optimal genutzt haben.

Resümierend ist dies ein wunderbar verrückter und darum so authentischer Jugendroman. Am Ende realisiert man, dass es nicht die Verantwortungslosigkeit war, die die beiden antrieb, sondern die Lebenslust, der Hunger auf Abenteuer und die Schönheit jedes Augenblicks dieses kurzen Lebens.
Abschließend eine unheimlich lebensbejahende Geschichte, die auch nach Robinsons Tod nicht in ein Loch reißt, sondern durch Axis intelligente Erzählweise hilft, das Ende dieser fiktiven Figur zu verarbeiten und auch persönliche Schlüsse daraus zu ziehen.
Und um es mit Robinsons Worten zu sagen: "Axi, wenn wir eine Anleitung dafür hätten, wäre es nicht das Leben, sondern eine Aufgabe. Bloße Fleißarbeit. Nicht Bescheid zu wissen, ist ein wichtiger Teil des Ganzen"

Und dennoch wird zum Schluss die ein oder andere Träne vergossen. Aber auch, weil es so schön war!