Bakelit und Spitzendeckchen

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owenmeany Avatar

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Lelord, Gavalda, Barberi: alle stehen für einen neuen Typus französischer Schriftsteller. Es passiert gar nicht viel, spannend sind die Beziehungen der immer sehr individualistischen Personen und deren Entwicklung. Da liegt es nahe, einen Psychiater zum Helden zu ernennen, in diesem Metier kennt sich Lelord ja aus. Hector befasste sich in bisher vier Romanen mit keinem anspruchsloseren Thema als Leben, Liebe, Zeit und Glück. Und nun nimmt er sich die Freundschaft vor. Wie weit muss man gehen, um einem Freund zu helfen?

Interpol in Gestalt einer überdurchschnittlich attraktiven (auch das ist ein Leitmotiv) Kommissarin sucht Edouard, weil dieser einen tüchtigen Batzen Kohle geklaut hat. Hector kennt seinen Freund eigentlich als ausgemachten Philanthropen. In dem Gespräch ist mir allerding die psychologische Denkungsart bereits zu präsent für die realistische Darstellung einer Vernehmung.

Die häppchenweise Präsentation der Leseprobe erschwert mir das Urteil, weil kein Lesefluss entsteht. Zwischendurch wird die Geschichte noch mit philosophischen Binsenweisheiten wie "Geld macht nicht glücklich" und einer Abhandlung über Aristoteles aufgebretzelt. Selbst ein Auto ist glücklich, wenn es schlammige Steigungen auf dem Weg zu hilfsbedürftigen Menschen erklimmt. Und der erzengelhafte Arzt Jean-Michel kämpft heroisch in Vietnam gegen die Schlechtigkeit der Welt.

Merkwürdig hölzern und konstruiert kommt mir das alles vor. Ist das nun ein Roman oder ein philosophischer Essay? Lelord scheint sich nicht richtig entscheiden zu können. Das "gut gemeinte" geht mir hier wirklich zu weit: ich lese lieber zwischen den Zeilen und bilde mir mein eigenes Urteil.